The Good, the Bad and the Jedi [Erzählungen um Ritter Aloncor Torn]

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • Eine Art Heimkehr

      Tythons Gerüche waren einzigartig. Sicher mochte man die genauen Unterschiede zwischen diesem und anderen Planeten auch in der Macht erkennnen, die Abdrücke des lebendigen Seins um ihn herum waren schon für Jünglinge zu erkennen. Doch die Gerüche der Gräser und Pflanzen, die nun im planetaren Frühling neu und deutlich zum Leben erwachten, waren für Ritter Aloncor Torn weitaus deutlicher als alles andere. Als er aus dem Tempel hinaus trat, atmete er tief ein und genoss das Gefühl, dass seine schlichte Kleidung von einer milden Brise erfasst wurde, die Tythons Gerüche mit sich brachte.
      Seine Lungen mit der frischen Luft füllend, ging der Anfangsdreissiger den Vorplatz entlang und ließ seinen Blick müßig über die Umgebung schweifen. Einige Leute blickten ihm hinterher, andere nicht, der Tempelalltag ging gemächlich seinen Gang. Alles wie stets.

      Es war so lange her, dass er das letzte Mal einige Wochen auf dem Planeten verbracht hatte, dass es sich fast wie ein neues Kennenlernen anfühlte. Im Grunde war es das auch. Seine Erinnerungen aus der Jünglings- und Padawanzeit verbanden sich mit dem gefallenen Tempel auf Coruscant, nicht mit Tython. Die Jünglinge, welche heute die hohen Hallen mit ihrer Lebendigkeit, ihren Hoffnungen und Wünschen erfüllten, würden die alte Größe des Tempels auf Coruscant niemals kennenlernen und Tython als ihren Ankerpunkt verorten. Die stille Frage, was davon nun der bessere Weg sein mochte, konnte er auch an diesem milden Frühlingstag nicht beantworten. Schnell konnte er die Wärme der Sonne fühlen, die durch seine dunkelbraune Kleidung besonders verstärkt wurde. Etwas abseits des Tempels und der Übungsflächen, auf einem kleinen Hügel, auf dem er noch hören und sehen konnte, was davor geschah, ließ sich Aloncor in aller Ruhe nieder und streckte die Beine aus.

      Heftiges Krachen dröhnte durch die Gänge, Brocken aus den Decken und Wänden fielen auf die Böden herab. Für Schreie waren die Jünglinge schon zu diszipliniert, aber die Furcht und innere Aufruhr, die sie empfanden, lagen so greifbar in der Luft wie die Trümmer, denen sie immer wieder ausweichen mussten.
      "Komm, ich helfe Dir," sagte Padawan Aloncor zu einem jungen Zabrak, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht sein Bein hielt und nahm den Jungen auf seinen Arm, drückte ihn an seinen Körper, um ihm durch die Wärme ein Gefühl von Halt und Schutz zu vermitteln. Der Jüngling zitterte und klammerte sich fest an den Körper des jungen Mannes, doch er konnte spüren, dass es ihm ein wenig zu helfen schien. Weitern vorn lief Meister Soren-Ti und wies den verängstigten Jünglingen den Weg durch die Trümmerlandschaft, die einmal ihr Zuhause gewesen war. Irgendwo in der Ferne erschütterten weitere Explosionen das Gebäude, irgend jemand schrie, schmerzerfüllt und gepeinigt, dann riss dieser Laut plötzlich ab, als sei auch das Leben aus dem Schreienden gewichen.
      "Aloncor - sorge dafür, dass keiner zurückbleibt!" Sein Meister eilte an ihm vorbei, das Lichtschwert im Lauf aktivierend. Das Zischen der Waffe war in dem Lärm des sterbenden Tempels nicht zu hören, immer wieder mischte sich das unverkennbare Geräusch von sich verbiegendem Metall in die Klangkulisse. Die Hand eines Mädchens mit großen, angsterfüllten Augen greifend, eilte Aloncor voran und versuchte, jeden Gedanken an die Sith auszublenden, die gerade über die Heimstatt der Jedi auf Coruscant herfielen. Die Jünglinge brauchten ihn, kämpfen würden andere...

      Irgendwann würde der Rat ihm vermutlich nahelegen, einen Padawan aufzunehmen. Selbst zum Lehrer für einen zu werden, nicht zum Erzähler für viele. Doch wirklich bereit dazu fühlte sich Aloncor noch nicht. Es wäre ein unstetes, schwieriges Leben für den Schüler, und noch hatte er nie dieses Gefühl empfunden, das ihn zu irgendeinem der Padawane hingezogen hätte. Wenn Du Deinen Schüler findest, wirst Du es wissen, mein Padawan. Diese Worte hatte Soren-Ti einst mit einem wissenden, verschmitzten Lächeln gesprochen. Überhaupt war das Lächeln eine der stärksten Erinnerungen Aloncors an seinen einstigen Meister. Wer immer Nautolaner als kalt beschrieben hatte, hatte nie Soren-Ti kennengelernt. Selbst in dunklen Stunden war es ihm gelungen, noch mit einem Scherz alles aufzuhellen, die Hoffnung auf etwas Gutes und Schönes zurückzubringen. Gerade deswegen war er immer ein so herausragender Diplomat gewesen. Was Argumente nicht hatten ändern können, war ihm durch seine Geduld und seinen Humor gelungen.

      Aloncor seufzte leise. Auch heute hätte er gerne einige Worte mit Soren-Ti gewechselt, der ihm nicht nur Meister, sondern auch in vielem ein Ziehvater gewesen war. Er hätte ihm gerne berichtet, wie erleichternd es war, einige Tage ohne das beständige Zupfen und Ziehen einer Vision zu verbringen, das ihn im Hintergrund seiner Aufmerksamkeitspheripherie stets an eine noch nicht erledigte Aufgabe erinnerte. Endlich war diese letzte Vision erfüllt, das Holocron von Meister Orak'baar gefunden und zum Tempel zurückgebracht.
      Der Jedi-Ritter ließ sich rückwärts ins Gras sinken und blickte in den strahlend blauen Himmel, ließ sich von der Sonne bescheinen und konzentrierte sich für die nächsten Minuten alleine darauf, die verschiedenen Geruchsnuancen der Flora und Fauna Tythons voneinander zu unterscheiden. Für fast jede riechbare Pflanze kannte er den Namen noch und mit der Zeit konnte er auch ausmachen, welche sich wo um ihn herum befand. Wie früher, nur damals hatte er noch mit geschlossenen Augen und der Macht geübt.

      Natürlich war er gespannt darauf, welches Wissen der längst verstorbene Meister aus den Anfangstagen des Ordens auf dem Holocron gespeichert hatte. Doch es lag nicht an ihm, dieses zu erkunden. Die Worte, die Aloncor mit der Holoprojektion Orak'baars gewechselt hatte, dienten allein der Verifizierung dessen, dass Aloncor nicht unwissentlich ein verdorbenes Sith-Artefakt oder etwas vollkommen wertloses zum Orden brachte. Erkunden und erforschen würden das Holocron jedoch andere und vielleicht bliebe dann irgendwann die Gelegenheit, dass auch er sich eingehender damit befasste. Es war seltsam, nach fast vier Jahren, in denen die Machtvision ihn stets begleitet hatte, nur nur noch Stille wahrzunehmen, wo die vertrauten Bilder gewesen waren. Würde er eine neue erhalten? Oder würde es die einzige seines Lebens bleiben? Auch diese Fragen konnte Aloncor nicht beantworten. Noch nicht. Vielleicht würde es ihm nie gelingen. Doch jetzt warteten zunächst einige Tage auf Tython, eine Zäsur der Stille inmitten vieler vorangegangener Pflichten. Und vielleicht neuer Erkenntnisse, die auf diesem frühlingsgeborenen Planeten auf ihn warteten.
    • Der geteilte Traum

      Das Licht fiel von den Oberlichtern in den kreisrunden Raum, dessen Kuppeldecke von hohen, geschmackvoll verzierten Säulen getragen wurde. Für Jünglinge war dieser Raum beim ersten Besuch immer beeindruckend - die raumhohen Archivregale, in denen Millionen von Datenkarten lagerten und vom gesammelten Wissen und den Traditionen des Jedi-Ordens kündeten, das helle Licht, welches jede Seite des Raumes gleichermaßen erhellte, das überwältigende Gefühl von Alter und Besonderheit. Beim allerersten Besuch in einem der Präsenzräume des Archives im Tempel von Coruscant durften die Jünglinge noch nichts tun.
      Ihnen wurde nur erklärt, was es mit den Archiven auf sich hatte und wieviele Jedi sich vor ihnen bereits darin geübt hatten, Geheimnissen und dem Wissen der Galaxis auf den Grund zu gehen. Für manche unter ihnen jedoch war dieser erste Besuch richtungweisend, weckte die Lust auf das Lernen aufs Neue und gab den wilden Hoffnungen junger Herzen auf neue Erkenntnisse Nahrung. Wieder führte einer der Ausbilder eine ganze Schar beeindruckter Jünglinge durch den Raum, und die leisen 'Ah's und 'Oh's ließen die beiden Jedi mittleren Alters, welche abseits standen und gemeinsam eine Datenkarte betrachtet hatten, leicht schmunzeln.

      Der eine, ein hochgewachsener Anfangsdreissiger mit sauber rasiertem Gesicht und kurzem dunklem Haar, blickte den staunenden Jünglingen einige Momente länger nach als nötig. Der Mann neben ihm war etwas älter und trug einen dunklen Vollbart, nickte seinem Gesprächspartner leicht zu. Sie tauschten einen verständnisinnigen Blick, und für einen Moment kehrten beide zu jenem Tag zurück, an dem sie selbst Jünglinge gewesen waren und folgsam und neugierig hinter dem Meister hergetrappelt waren.
      Beide hatten die Archive geliebt und schätzten auch heute noch die gelehrsame Stille darin, in der so viel Raum für Gedanken und neue Inspirationen lag. Ohne sich abgesprochen haben, ließen die beiden Jedi-Ritter von ihrem Tun ab, verstauten die Datenkarten ordentlich wieder dort, wohin sie gehörten und verließen gemessenen Schritts den großen Raum, neugierig beäugt von so manchem jungen Lebewesen, für das alles noch neu und aufregend war. Sie schwiegen, aber Worte waren für diese beiden Männer auch nicht so wichtig. Man musste nicht zwingend sprechen, um sich zu verstehen. Die Gänge des Tempels wandelten sich, die gediegene Schlichtheit vieler Jahrhunderte atmete mit einem Mal die Frische und Lebendigkeit des Neuen. Als die Jedi das Ende eines Korridors erreicht hatten, blendete sie die Helligkeit von draußen, und der würzige Geruch von Tythons Gräsern umwehte die beiden schlicht gekleideten Männer wie eine sanfte Umarmung.

      In der Ferne war das Rauschen eines kleinen Wasserfalls zu hören, jener befand sich in Sichtweite zum Tempel von Tython. Manchmal saßen dort Padawane darunter, meditierend, um zu lernen, sich weder vom Tosen des Wassers auf ihren Köpfen noch von der Nässe und Kälte ablenken zu lassen. Doch heute war das Ufer leer und die Männer konnten sich dort in Ruhe niederlassen. Es war ein sonniger Tag und schnell konnten sie dank ihrer dunklen Kleidung die Wärme dieses jungen Tages deutlich spüren. Es war, als sickerten mit der von oben stammenden Wärme auch Ruhe und Frieden in das Innere der beiden Männer mit ein. Langsam verloren die Geräusche des Wasserfalls, das Zwitschern der Vögel um sie herum, das Rauschen der Bäume und alle anderen Sinnesempfindungen an Vehemenz, wurden leiser und leiser, bis sie nur noch ein sanftes Plätschern am Rande beider Aufmerksamkeitsperipherie waren und Platz für vollkommene innere Stille geschaffen wurde.

      Jene Stille, die für einen Jedi den allumfassenden Frieden und das Gleichgewicht mit der Macht bedeutete, der Ort, an den man sich zurückziehen konnte, um neue Kraft zu finden oder dem Aufruhr des in der Galaxis wogenden Konfliktes für eine Weile zu entgehen. Jeder Atemzug sog neue Kraft in die Herzen der beiden Männer, und als Aloncor seine Meditation beendet hatte, fiel sein Blick auf seinen Gefährten. Andenus Dexters Gesicht hatte sich gewandelt, wirkte ausgemergelt und erschöpft, unter den Augen Schatten, als hätte er seit Tagen keinen Schlaf und keine Erholung gefunden. So hatte er den Ritter noch nie gesehen, und auch noch nie dieses dumpfe Gefühl der Verzweiflung wahrgenommen, das diesen wie eine zweite Haut umgab. Wo einst Andenus' Haar gewesen war, hingen nur noch dünne, zersetzte Strähnen herab, die linke Gesichtshälfte eine von Säure zerfressene Absurdität, nässend und versehrt.

      Und sein Bein - es stank nach verbranntem Fleisch, ein übermächtiger, süsslicher Geruch, der die Luft so deutlich wie eine Klinge ein Stück Banthamilchbutter durchschnitt. Das im Schenkel des Ritters prangende dunkle Loch schien Aloncor mit seiner Düsternis, dem darin in der Tiefe schimmernden, weißlichen Knochen zu verspotten. Als sein Blick ungläubig über den Leib des befreundeten Ritters strich, sah er eine weitere schwere Wunde am Arm des anderen, die der an Andenus' Schenkel glich. Und nun fühlte auch der Diplomat den Schmerz des anderen, weitaus mehr noch dessen Hoffnungslosigkeit. Ohne nachzudenken, streckte Aloncor seine Hand aus, griff nach jener von Andenus' - stark, gewissenhaft, ein Fels in einer stürmischen Brandung der Unsicherheit und Furcht, dann verblassten die Bilder und zurück blieben nur zwei Worte:
      "Halte durch ..."

      Ruckartig setzte sich Aloncor Torn auf seinem einfachen Lager auf, das Gesicht und der nackte Oberkörper von Schweiß bedeckt. Er brauchte einige Augenblicke, um zu erkennen, dass er sich in einem der Standardquartiere für Gäste des Jedi-Ordens auf Tython befand und dieses erschreckende Bild nur ein Traum gewesen sein konnte. Noch immer fühlte er sich vom müden, so zutiefst erschöpften Blick des anderen Ritters wie verfolgt.

      Andenus Dexter. Ein bekanntes, freundliches Gesicht aus Aloncors Vergangenheit, einer jener Jünglinge, die in seiner kleinen Welt eine Rolle gespielt hatten. Und nun jemand, der seiner Hilfe bedurfte. Aloncor rieb sich die Augen und wischte danach mit einer Hand über seine Stirn, sich sehr bewusst in Atmung und Haltung entspannend. Hatte er nicht erst vor zwei oder drei Tagen die stille Frage gestellt, was nach jenen Bildern kommen würde, die ihn so viele Jahre begleitet hatten?

      Es schien, als hegte die Macht bisweilen einen sehr absurden Humor. Als sich der Diplomat von seinem Bett erhob, mit nackten Füßen über den schlichten Steinboden tappte, entdeckte er das stumme Blinken seines Coms, das ihn von einer eingegangenen Nachricht in Kenntnis setzte. Die Suche in der Militärdatenbank hatte das gewünschte Ergebnis ausgespuckt und er würde mit Padawan Aquae sprechen müssen, um alles weitere in die Wege zu leiten.
      Halte durch, Andenus. Halte durch.
    • Waltzin' Jedi

      Zurück in der Blase, zurück auf Tython. Der Kontrast zum stinkenden, smogbehafteten und schmutzigen Nar Shaddaa hätte nicht größer sein können. Auf dem Huttenmond blieb die Zeit nie stehen, kannte vermutlich niemand die wohltuende Kraft der Stille, denn dort gab es schlichtweg keine. Selbst in den untersten Ebenen, welche der Mondoberfläche nahe kamen, war der wummernde Takt vergänglicher Vergnügungen überdeutlich zu hören. Es war eine interessante Mission gewesen, die Ritter Efroy Jarok, Padawan Morwena Aquae und ihn dorthin geführt hatte, und sie waren erfolgreich gewesen. Auch wenn natürlich die Rettung der Wissenschaftlerin Dr. Aiko das Wichtigste am gesamten Auftrag gewesen war, nahm Aloncor vor allem die kleinen Details am Rande mit, die den Auftrag für ihn selbst zu einer unverwechselbaren Erinnerung gestaltet hatten.

      Ritter Jaroks erste Bekanntschaft mit einer überaus üppig gebauten, blauen Twi'lek, die ihn als geeignete Begleitung für die Nacht auserkoren zu haben schien. Padawan Aquaes hintergründiger Humor, den sie geschickt hinter sarkastischen Spitzen verbarg. Ein nächtliches Gespräch über den Krieg und die Zukunft, die beide nicht vorhersehen konnten. Das al Bordell getarnte Hauptquartier von Agent Sierra und seinen Leuten, die pittoreske Zusammenstellung ihrer Helfer auf Nar Shaddaa. Streifzüge über die Promenade, die seltsame Tarnung als Touristen. Was man wohl in der Asservatenkammer mit dem Plüschhutten machen würde, dem man auf den Bauch drücken musste, damit er 'Her mit den Credits' sagte? Aloncor war immernoch erstaunt darüber, dass es wirklich viele Leute zu geben schien, die derlei in ihrem Urlaub kauften und behielten.

      Selbst ein Kampf war zu bestehen gewesen, bei dem Aloncor wieder einmal erkennen musste, dass er zwar den Lichtschwertkampf erlernt und innerhalb der bescheidenen Grenzen seines vorhandenen Talentes auch gemeistert hatte, ihm aber doch der tiefe Zugang dazu fehlte.
      Er war kein Krieger und würde niemals einer werden, die instinktive Geschmeidigkeit und das Gefühl für den absolut richtigen Moment würde er niemals erlangen. Aber darüber war der Diplomat längst nicht mehr traurig oder wütend. In den Jahren als Jüngling, als die Schwertkampfkenntnisse so überaus wichtig gewesen waren, gefühlt sogar überlebenswichtig, hatte ihn sein mangelndes Talent oft genug in Verwirrung und Sorge gestürzt.

      Wie oft er gefürchtet hatte, vielleicht doch niemals Padawan zu werden, von einem Meister auserwählt. Wie oft er damals einen anderen Weg durch den Tempel von Coruscant gewählt hatte, um nicht von den größeren und kräftigeren Jünglingen aufgestöbert zu werden, die sich eine Freude daraus gemacht hatten, den Jungen von Druckenwell herumzuschubsen. Natürlich nie so, dass sich einer der Lehrer genötigt gefühlt hätte, einzugreifen, gewisse Grenzen wurden immer gewahrt. Doch innerhalb dieser Grenzen konnte das Leben für einen Jüngling dennoch sehr unangenehm sein, vor allem, wenn er im Schwertkampf nicht unbedingt talentiert war. Bis er Andenus Dexter kennengelernt hatte ..

      Lächelnd schritt Aloncor Torn den kleinen Flusslauf entlang, die Stiefel und Socken am Ufer zurückgelassen. Die eisige Kühle des Wassers fühlte sich so frisch an, und es schien, als könnte er der flotten Strömung des Wassers mit allen Sinnen nachspüren. Es erlaubte ihm einen Zugang zu dieser Welt, der für einen Aussenstehenden kaum nachvollziehbar war, aber für jeden Machtbegabten doch verständlich, öffnete sich der Ritter doch mit allen Sinnen der um ihn pulsierenden, lebendigen Natur.
      Hier auf Tython konnte er seine sonstige Beherrschung fallen lassen, die Abschottung seines Geistes so weit öffnen wie es statthaft war, ohne in die Privatsphäre anderer zu dringen. Das war auf Coruscant früher zur Notwendigkeit geworden, um den Emotionseindrücken der vielen Millionen Lebewesen zu entgehen. Beim Angriff und der Plünderung des Planeten war sein Kopf fast geborsten, das übermächtige Leid war zu einer gewaltigen Faust geworden, die mit Macht beständig auf seine Sinne eingehämmert hatte. Aber das war vorüber, und Tython war ein Hort der Stille. Sicher, auch hier gab es Lebewesen. Emotionen. Wünsche. Sehnsüchte. Furcht. Schmerz ...

      Der Diplomat runzelte leicht die Stirn und ging den Fluss entlang, auf die Quelle kindlichen Leides zu, ohne sich zu schnell zu nähern. Die Situation hatte einen vertrauten Geschmack, war mit einem Mal überlagert von den Erinnerungen an sein eigenes früher. Vielleicht lag es an seinem Gespräch mit Andenus am vorherigen Abend, das so viele angenehme Gedanken zurückgebracht hatte. Alte Freundschaft rostete nicht, sie ruhte nur, und an diesem Abend hatten sie diese wieder aufgenommen.
      Sie waren älter geworden, hatten ihre Erfahrungen gemacht, gewiss. Und doch - tief im Herzen waren die beiden Jünglinge noch vorhanden, die sich über ihre tiefe Liebe zum Wissen kennengelernt hatten. Heute musste Andenus zwar keine anderen Jünglinge mehr für Aloncor verprügeln, weil dieser sich selbst verteidigen konnte, aber alles andere war im Grunde noch so wie damals. Und heute konnte er seinem alten Freund helfen, wieder zurück zu seinem Selbst zu finden, nachdem es ihm durch die imperiale Folter fast genommen worden war.

      Vielleicht würde es ihm auch helfen, einen Tanz mit Ritterin Deikan zu führen, einen langsamen Walzer, den sie besonders schätzte. Auf eben jener kleinen Wiese am Pass, zu der leisen Musik aus einem Com heraus. Und sie war eine wirklich hervorragende Tänzerin, die sich so leicht und geschmeidig führen ließ wie eine Feder. Dass er tatsächlich auf einer Wiese Tythons zu einem Walzer gekommen war, hätte der Diplomat vorher auch nicht vermutet, aber er war der Letzte, der sich gegen einen solchen Tanz gewehrt hätte. Ein stilles Vergnügen, mit einer ihm vollkommen Fremden für einen einzigen Moment geteilt, die ihm danach ein bisschen weniger fremd gewesen war. Wieviel Freude am Tanz doch hinter der beherrschten Fassade schlummerte - gegen einen zweiten würde er sich gewiss nicht wehren.
      Als er um einen der Felsen am Fluss trat, sah Aloncor den Grund für leise Schluchzer - ein junger Togruta, vielleicht gerade einmal acht Jahre alt, in der Kleidung eines Jünglings, der ziemlich erschrak, als sich ihm ein Ritter näherte, den er noch nicht kannte. Einige freundliche Worte später setzte sich der barfüßige Diplomat neben den Jüngling und ließ sich das ganze Ausmaß dessen Sorgen schildern. Und der Kreislauf begann von neuem ...

      ------------

      Weißer Wampa im Angriffsmodus

      "Guck mal, was macht der denn da?" tuschelte eine abgehärmt wirkende Mittdreissigerin zu ihrer ebenfalls abgespannt wirkenden Freundin. Beide trugen große Beutel, in denen sie ihre Deckwäsche zur öffentlichen Reinigungs-Wasserstelle geschleppt hatten. Beide hielten ihre quengelnden Kinder an den Händen, die überhaupt nicht bei ihren Müttern bleiben wollten und sich alle Mühe gaben, in verschiedene Richtungen davon zu kommen. "Ich glaube, der wäscht seine Sachen."
      Beide beäugten den hochgewachsenen, braun gebrannten Mann mit der zerzausten Kurzhaarfrisur eingehend. An seinem Körper waren die Spuren eines nicht ungefährlichen Lebens an diversen kleineren und größeren Narben gut zu entdecken. Und er war trainiert, wie man es wohl von einem seiner Sorte erwarten konnte. Eine der Frauen gab einen überraschten Laut von sich, als sie die von Narben übersähte linke Brust des Mannes erblickte, die wirkte, als habe ein Wildtier versucht, ihn zu zerfleischen. Weitere Narben zogen sich bis hinauf zu seiner Schulter.
      "Meinetwegen kann er da gerne noch eine Weile stehenbleiben," seufzte eine dritte Frau, die ebenso einen Wäschesack heran geschleppt hatte, hingebungsvoll und gönnte sich den Anblick des mit einer einfachen Hose, Stiefeln und einem Gürtel bekleideten Mannes. Die beiden deaktivierten Lichtschwerter, welche an diesem Gürtel eingehakt waren, schienen die unruhigen Kinder viel mehr zu interessieren. Einer der Jungen riss sich schließlich von seiner Mutter los und rannte auf den Jedi zu, der an der Wasserstelle saß und mit einer Bürste seine nasse Tunika von den letzten Resten des Löschschaums sauberschrubbte.

      "Du-huuu?" Der Mann blickte zu dem vorwitzigen Steppke und hob fragend seine Brauen an. Seine Augen wirkten müde, aber für den Jungen hatte er ein freundliches Lächeln übrig. "Was gibt es denn?" fragte der Jedi und schrubbte eifrig weiter. Die Bewegungen wirkten auf die Frauen, als sei er durchaus geübt darin, seine eigene Tunika zu reinigen.
      "Bist Du ein Jeehdi?" Der Junge deutete neugierig auf die Lichtschwerter, was den Mann dazu brachte, sich etwas aufzurichten und beim Schrubben innezuhalten. "Das bin ich - ich bin ein Jedi-Ritter und hierher gekommen, um zu sehen, wie man den Menschen auf Xasel 7 helfen kann." Politik war dem Kleinen aber wohl herzlich egal, das Lichtschwert war da schon viel wichtiger.
      "Darf ich das mal anfassen?" Aloncor Torn hakte sein Shoto vom Gürtel los und hielt dem Jungen den deaktivierten Griff hin, welchen dieser mit ungläubigem Staunen berührte. Im Nu hatten sich auch die anderen Kinder um die beiden geschart und wollten ebenfalls anfassen. Aufgeregte Kinderstimmen mischten sich mit den ruhigen Erklärungen des Ritters, der sich schließlich erhob und seinem Publikum zeigte, wie ein aktiviertes Lichtschwert aussah. Dass die Mütter einen neugierigen, aber auch hingerissenen Chor etwas entfernt bildeten und weitaus mehr auf die geschmeidigen Bewegungen des trainierten Mannes achteten, war eine Randnotiz, wenngleich Aloncor die emotionalen Schwingungen der Frauen durchaus zur Kenntnis nahm.

      "Warum wäscht Du denn Deine Sachen selbst?" piepste ein Mädchen, das sich zwischen den Jungs hindurchgeschoben hatte. Sie wirkte pfiffiger als die anderen Kinder, blickte zwischen der nassen Tunika und dem Jedigesicht mit dem leichten Dreitagebart hin und her. Aloncor schmunzelte.
      "Seine eigene Kleidung sauber zu halten lernen schon die Jünglinge im Orden - die sind übrigens so alt wie ihr. Es gehört zum Alltag eines Jedi, die wenigen Dinge, die er bei sich führt, sorgfältig zu pflegen und darauf zu achten ... und ..." Er nickte freundlich in die Richtung der Mütter mit den Wäschesäcken. ".. wir haben keine Mütter, die mit uns reisen würden, um unsere Wäsche zu machen. Deswegen sollte man das selbst beherrschen. So schwer ist es nicht." Die Kinder blickten überrascht, aber auch ein bisschen unwillig von den nassen Sachen des Jedi zu ihren Müttern, die noch immer ihre Köpfe zusammen steckten.
      "Vielleicht könnt ihr ihnen ein bisschen helfen - das freut sie sicher. Und ihr zeigt, dass ihr etwas könnt, was auch Erwachsene tun." Einer der Jungs schüttelte kategorisch den Kopf und meinte: "Das ist doch nur was für Weiber!" Er kassierte prompt einen kräftigen Tritt des Mädchens, dann trollten sich einige der Kinder zu ihren Müttern. Aloncor konnte nicht hören, was sie miteinander sprachen, aber als sich kurz darauf auch die Mütter näherten, gingen einige der Kinder ihren Müttern bei der Wäsche zur Hand. Aloncor verabschiedete sich freundlich, als er seine Kleidung gereinigt hatte, und ging, die feuchten Wäschestücke über den Arm gelegt, die Straße entlang zum Hauptquartier der Partei "Xasel 7s Weg in die Freiheit" zurück.

      Auch hier folgten ihm neugierige Blicke, aber die meisten in der Umgebung am Wiederaufbau der zerstörten Gebäude arbeitenden Menschen hatten sich zumindest zum gewissen Teil an den Anblick des Jedi gewöhnt. Er wohnte nun seit gut einer Woche in der Parteizentrale und hatte sich mit vielen unterhalten. Über die Vergangenheit, den Krieg, die Sorgen und Nöte, die den schweren Alltag der Menschen bestimmten. Auf Xasel 7 fehlte es an allem - nur nicht an Verzweiflung und Angst. Die übermächtigen Emotionen so vieler waren das Belastendste an der Mission für ihn. Ein beständiges Kratzen und Heulen an den geistigen Festungsmauern, die ein Empath um sein Inneres errichten musste, um sich nicht zu sehr irritieren zu lassen und weiter handlungsfähig zu bleiben. Dazu die Hinterlassenschaften der Sith, deren Machtkorrumpierung nach wie vor spürbar war. Glücklicherweise hatten sie den Nexus in Werk 4 schließen können, wo einst mit viel Sith-Alchemie die scheusslichen Golems hergestellt worden waren. Weit weniger glücklich war die schwere Verletzung, die Ritter Jarok nun auf die Krankenstation befördert hatte. Aber es war generell ein Vorstoß gewesen, bei dem vieles anders als gedacht gelaufen war.

      Schon beim Anflug auf das Fabrikgelände wurde das Shuttle mit einer modernen AntiLuft-Rakete beschossen und sie hatten es nur Ritter Jaroks Können zu verdanken, dass sie nicht abgestürzt waren und es nur auf eine holprige Landung hinausgelaufen war. In Werk 4 selbst waren sie bis zur Kommunikationszentrale vorgerückt, immer dem Gefühl folgend, dass sich eine Konzentration von Schmerz und Furcht im Gebäude befand. Als sie den Nexus ausgemacht hatten, vereinbarten die Ritter, dass Andenus und Jarok Aloncor bei dem Versuch, diesen zu schließen, verteidigen würden, während die Agentin des SID, Miss Fox, sich um die Datensicherung kümmern sollte.
      Dass das Löschsystem durchdrehen, sowohl Fox als auch Aloncor in dem Raum einschließen und mit reichlich Wasser und zähem Löschschaum umzubringen versuchen würde, hatte niemand vorhergesehen - und vor verschlossenem Sicherheitsschott brannte innerhalb kürzester Zeit die Luft, als zwei feindliche SGD-Agenten die verbliebenen Jedi mit Drohnen- und Raketenbeschuss unter Feuer nahmen.

      Während die beiden Eingeschlossenen versucht hatten, das Löschsystem zu deaktivieren und der Schaum samt Wasser in extremer Geschwindigkeit zu steigen begann, wehrten sich Andenus und Efroy Jarok nach Kräften. Erst, als Aloncor das durch das Wasser beschäftigte Arbeitsterminal durch sein Lichtschwert und damit auch die permanente Elektroschockgefahr ausgeschaltet hatte, konnten die beiden Eingeschlossenen flüchten - Lichtschwerter waren auch für's Türenöffnen brauchbar. Inzwischen hatte der Diplomat die Form und Farbe eines weißen Wampa angenommen, da der zähe Löschschaum mannshoch im Raum angestiegen war, die wesentlich kleinere Fox hatte sich nur dank eines Stuhls über der Schaumoberfläche halten können. Als Andenus ihn anwies, den Schützen mit dem Raketenwerfer auszuschalten, der sich auf der Galerie über dem Hauptraum der Werkshalle versteckt hatte, musste es ein Bild wie aus einem Holofilm gewesen sein - ein fliegender Wampa mit Lichtschwert, der dem feindlichen Agenten den Garaus machte.

      Und doch war er zu spät gekommen - in diesem Moment lag Ritter Jarok bereits am Boden, vom verwendeten Napalm der Raketen verbrannt. Glücklicherweise hatten Andenus und Agentin Fox ihn stabilisieren können, bis der MedEvac erschienen war, und er wurde schnell zu einem der verbliebenen Hospitäler verbracht. Fox hatte Daten gewinnen können, und die beiden Ritter hatten gemeinsam den Nexus geschlossen, um die Spuren der Sith zumindest ein wenig zu tilgen und weitere Gefahr abzuwenden. Dass sie neben dem Gebäude noch ein Massengrab entdeckt hatten, war das letzte Detail dieses schmerzhaften und in vielem auch schweren Abends gewesen - als er sich endlich irgendwann mitten in der Nacht zur Ruhe hatte legen können, war der Schlaf nur sehr schwer herangenaht. Andenus' müder Gesichtsausdruck, von Gedanken beschwert, vermutlich auch durch ein Gefühl von Schuld. Ritter Jaroks stille Gestalt, in der das Leben nur noch mit viel Mühe gehalten wurde. Agentin Fox' Blick, als sie vor dem Grab gestanden hatten und überlegten, was getan werden sollte. Nam Thaos verzweifelte Bitte um Hilfe und Finanzierung.
      Die vielen Bilder und Gesichter wirbelten in seinem Kopf und ließen ein Chaos zurück, welches Aloncor nur mühevoll ordnen konnte, fühlend, wie viel Kraft es ihn gekostet hatte, und wie viel Kraft noch vonnöten sein würde, um Xasel 7 zu helfen.

      Sie konnten so wenig tun, und überall gab es etwas, wo viel mehr zu tun wäre als nur zuzuhören und Hoffnung zu geben.
      Schweigend hängte Aloncor seine feuchte Tunika und die Wechselhose über eine Stuhllehne in jenem Raum, in dem sein Feldbett stand, um sich dann in der klassischen Meditationshaltung auf dem Boden niederzulassen. Ein wenig Kraft schöpfen, bevor er wieder hinausgehen würde, der Jedi zum Anfassen sein, den die Leute betrachten konnten, der sich ihren Schwierigkeiten widmete - und um von jenen abzulenken, die im Stillen ihr Werk taten, um dem Kult zu Leibe zu rücken, der die Seelen und Gedanken der Menschen vergiftete...

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Aloncor Torn ()

    • Stille

      Man könnte meinen, es sei ein Wettbewerb. Das derzeit von zwei Personen belegte Vierbettzimmer der Krankenstation war so still, dass man selbst die Atemzüge noch hören konnte, die vom Nachbarbett zu Aloncor herüber drangen. Langsame, regelmäßige Atemzüge, die verrieten, dass Padawan Aquae schlief. Schlaf war noch immer die beste Medizin und in den letzten Tagen hatte der Diplomat beobachten können, wie Padawan Aquae langsam aber sicher gesundete. Zuerst war sie aus dem Koma zurückgekehrt, nachdem Ritterin Deikan ihr die nötige Kraft dazu verschafft hatte. Dann war es langsam, aber schrittweise wieder aufwärts gegangen. Spätestens, als beider Verstrahlung entdeckt worden war und die richtigen Medikamente verabreicht worden waren, hatte sich eine eindeutige positive Entwicklung eingestellt.

      Das hatte vor einigen Tagen noch ganz anders ausgesehen. Er selbst war erst nach zehn Stunden Koma erwacht, zumindest hatten ihm die Mediziner das so berichtet. Und noch immer fühlte er sich matt, ausgelaugt, ein bisschen leer und wund nach der Anstrengung, die ihn an den Rand des Scheiterns geführt hatte. Es war zu viel für einen gewesen, und einer der Gründe, warum er nun in einem Krankenbett ruhen konnte, anstelle in die Macht eingegangen zu sein, lag im Nebenbett und erholte sich. Er hätte es sich nie verziehen, wäre Schlimmeres mit ihr geschehen. Von einem Ritter wurde erwartet, dass er die richtigen Entscheidungen traf, die Lage passend einschätzte, und doch hatte er sich auf der Brücke der Fregatte Lightbringer gefühlt wie ein absoluter Anfänger angestellt.

      Sie waren in den Tiefkern geflogen, um jene Waffe zu testen, an der Padawan Aquae schon eine Weile getüftelt hatte. Gegen eine Gefahr, gegen die man nur schwer oder überhaupt nicht wirklich ankam - die sogenannte Schwarze Flotte, die aus nicht hyperraumfähigen Schiffen bestand, auf denen sich von der Dunklen Seite verseuchte Wesenheiten befanden. Deren einziger Lebenszweck schien es zu sein, möglichst viel Energie auf möglichst scheussliche Art und Weise von allen Lebewesen abzusaugen, die ihnen ihn die Quere kamen - sich selbst am Schrecken und Entsetzen ihrer Opfer nährend. Wie perfide diese Wesenheiten vorgingen, war schnell zu merken. Schon als die drei Schiffe der Flotte von der Fregatte aus wahrzunehmen waren, begann der geistige Druck auf die Crew und die Jedi an Bord. Die meisten Jedi hatte Aloncor noch nicht gekannt, bis auf die Padawane Aquae und Dane waren ihm alle anderen fremd, aber das hatte sich schnell geändert.

      Kämpfte man für ein gemeinsames Ziel, schweißte das mehr als alles andere zusammen. Meisterin Eryada hatte sich sogleich dem geistigen Schutz der Crew gewidmet, während einige der anderen sich um den individuellen Schutz für den Navigator und den Steuermann gekümmert hatten. Für Aloncor war die Entscheidung leicht gewesen - er hatte Meisterin Eryadas Tun unterstützt, weil ihm dies am sinnvollsten schien. Die Furcht und Unsicherheit der Crew war deutlich für ihn zu spüren gewesen, und so widmete er sich umso nachdrücklicher der Aufgabe, dies von ihnen fern zu halten. Sie schossen die experimentelle Waffe Padawan Aquaes auf eines der drei Schiffe der 'Schwarzen Flotte' ab, und ab da lief die Sache aus dem Ruder der geplanten Unternehmung.

      Plötzlich herrschte neben Aloncor, der die geistige Präsenz Meisterin Eryadas wie eine starke, verlässliche Säule wahrgenommen hatte, vollkommene Stille. Die Last der Furcht von viel zu vielen Besatzungsmitgliedern senkte sich wie eine erstickend dick gewebte Decke auf ihn herab. Es blieb ihm nicht einmal Zeit, darauf groß zu reagieren oder zu versuchen, ihr zu helfen. Innerhalb von Sekunden war er in seinem Tun gefangen, gehalten von der Pflicht, dem Wissen, dass die Kräfte der anderen Jedi an anderer Stelle gebraucht wurden und er sich dem allein stellen musste. Sein Schädel brannte vor der unerwarteten Anstrengung, dann übernahm die Routine seiner Ausbildung zum Jedi. Er begann, die einzelnen Emotionseindrücke zu sortieren wie ein Feldchirurg bei der Triage, seine Kräfte so geizig einzuteilen wie ein Muun bei der Vergabe von Kleinkrediten an Mittelstandsunternehmer.
      Wer war nahe an der Grenze zum Sprung über die schmale geistige Schneide der Vernunft? Wer konnte vielleicht noch länger aushalten? Bei wem reichte ein wenig mehr Kraft, wer musste wirklich umfassend beschützt werden?
      Seit dem Angriff auf Coruscant waren die Gelegenheiten, an denen er sein Bewusstsein hatte so auffächern müssen, gering gewesen, die Anstrengung trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Schon nach kürzester Zeit war seine Tunika von seinem Schweiß durchweicht, während sich am Rande seines Bewusstseins die lichten, konstanten Punkte der Jedi-Kampfgruppe, bestehend aus den Rittern Kazeru und Telemnar und dem Zivilisten Rash'adar Bantu drei kleineren düsteren Präsenzen widmeten.

      Die 'Lightbringer' war geentert worden, wilde Sithwesenheiten hatten das Schiff betreten und suchten voran zu kommen, aber der eigentliche Gegner befand sich woanders, in seiner maßlosen Gier ein düsteres Leuchtfeuer eines nicht einzudämmenden Abgrunds. Jähes Entsetzen schwappte brandrot durch Aloncors Kopf, als diese Wesenheit sich einem überraschten Besatzungsmitglied widmete, es zu Tode malträtierte, dann Stille. Ein Emotionspunkt weniger auf der geistigen Landkarte des vor Anstrengung zitternden Diplomaten. Dies war der eigentliche Gegner. Für Furcht oder einen Gedanken des Versagens blieb keine Zeit, nicht einmal eine Sekunde. Er bäumte sich auf, bleich geworden, als er den ersten geistigen Schlag gegen die Wesenheit geführt hatte und der zornige Schmerz der düsteren Präsenz als Reaktion zu ihm zurückschwappte. Dann fühlte er die geistige Nähe Padawan Aquaes, die sich an seine Seite gesellte, um der Wesenheit beizukommen.

      Er konnte sie nicht einmal abwehren, ihr klar machen, dass dieser Kampf anders war als das, was sie gewöhnt war, zu sehr kreisten die furchtsamen, zutiefst erschreckten Empfindungen der Crewmitglieder durch seinen Kopf. So konnte er nur hinnehmen, ihr den Weg weisen und sich an ihrer Präsenz innerlich aufrichten. Ab da verschwomm seine Erinnerung zu einem gewaltigen Konglomerat zähen Ringens um Beherrschung, um genug Kraft, um den Wahnsinn von der geistigen Türschwelle der Besatzung zurückhalten, um so viele positive Erinnerungen wie möglich, um der Macht genug Raum zu geben, durch ihn zu fließen und durch seine Zielrichtung eine Waffe zu werden. Es brauchte vier Schläge und die vehementen Kampfanstrengungen zweier Ritter, zweier Padawane und eines Zivilisten, um die Sithwesenheit zu bezwingen, dann war es dunkel um Aloncor geworden, als er loslassen musste, alle Reserven verbraucht waren.

      Dass er in einem Weltall trieb, ein von Wasser bedeckter Planet voraus, der ihm so vertraut vorkam, darüber hatte er mit niemandem wirklich gesprochen. Es nur angedeutet. Dieser Moment des ungewollten, aber nicht weniger intensiven geistigen Kontakts zwischen seiner zutiefst erschöpften Mitstreiterin und dem ausgezehrten Diplomaten war nicht in Worte zu fassen. Ebenso wenig das, was er von ihrem Inneren gesehen hatte, auf der Suche nach ihrem sich in den innersten Schutzbereich zurückziehenden Geistes, der seine Wunden lecken wollte.
      Korriban war ein karger Planet, gleißende Sonne, Sand und rote Felsen.
      Eine junge Morwena mit trotzigem Blick, auf dem Weg in die Akademie, die ihr so viele Jahre an Gefangenschaft in einem grausamen System bringen würde. Aber noch immer vorhanden, mit jener Stärke, die sie immer in sich trug, die ihr weitaus mehr Waffe war, als es ihr Lichtschwert jemals sein konnte. Als er ihr Versprechen hatte, dass sie zurückkehren würde, zog er sich bewusst zurück, aus einer Sphäre hinausgleitend, in die er nicht gehörte.
      Blaue Blüten.

      Und wieder Stille, bis er erwacht war und in das Gesicht eines abgespannten, müden Mediziners blickte, der bei seinem Anblick sichtlich aufatmete. Er lebte noch, und doch schmerzte alles an ihm. Innerlich wund, mit einem Gefühl, als stünden seine geistigen Schranken weit offen, ließ er das Tun der Ärzte, und später des Jedi-Heilers Cheolls über sich ergehen. Sie wussten, was sie taten, darauf vertraute er, musste er vertrauen können. Zudem wäre er ohnehin zu matt gewesen, um sich zu wehren.
      Ritterin Deikans Gesicht erschien, erneut Fürsorge. Besorgtheit. Eine Art Frieden, ihr bei ihrem Tun zusehen zu können, eingelullt von ihrem ausgeglichenen Pflichtbewusstsein und einem aufmunternden Lächeln. Hier durfte er müde sein, so abgrundtief erschöpft. Hier bewertete ihn niemand. Sie versuchte sogar, seine Sorge zu zerstreuen, durch den ungewollten Kontakt mit Padawan Aquaes Geist Schaden verursacht zu haben, der sich nicht mehr reparieren ließ. Er wusste, sie würde zurückkehren, aus den Fluten ihres gedämpften Bewusstseins zur Oberfläche zurückkehren und auftauchen, aber wann?

      Wieder behutsame Heilerinnenhände, die Kraft vermittelten, stärkten, aber nichts erzwangen. Endlich erwachte sie, die Augen wegen des grellen Lichts zusammenkneifend, mit Gedächtnislücken. Aber was zählte es, sie war wach, ihr Geist klar. Alles andere würde die Zeit geben. Zeit, sich selbst Ruhe zu gönnen, die Eindrücke grauenhafter Tode und düsteren Verlangens abzuschütteln. Die Befleckung abzuwaschen, die er wegen dieses langen Kampfes auf sich haften fühlte.
      Es tat gut, dann einfach nur noch Beobachter zu sein, die vielen Besucher zu betrachten, die sich am Bett von Padawan Aquae aufreihten. So unterschiedliche Gesichter, doch vereinte sie eines: Sorge um die Verletzte, freundliche Gedanken ihr gegenüber. Vielleicht bei dem Soldaten mehr als das, aber er hatte dem nicht nachgeforscht. Letztendlich ging Aloncor dies nichts an, und er hatte kein Recht dazu, Fragen zu stellen.

      "Ich verdiene das alles gar nicht." Ein Gespräch spät in der Nacht, als sie beide keinen Schlaf fanden. Wenn man einen ganzen Tag über ausruhen konnte, der ansonsten mit reichlich vielen Tätigkeiten gefüllt war, hatte man irgendwann genug geruht. Der Geist ging auf Wanderschaft, die Gedanken kreisten. Morwena Aquaes Gedanken kreisten offensichtlich darum, wie viel sie noch tun musste, um endlich Vergebung für etwas finden zu können, das zehn Jahre ihres Lebens bestimmt hatte. Der Schatten der Sith Morwena Aquae war für die Padawan groß und dunkel, schien noch immer alles zu überlagern, was sie tat und wie sie ihr Leben betrachtete.
      "Ihr müsst endlich damit beginnen, Euch selbst zu verzeihen."
      Waren seine Worte genug gewesen, um ihr einen anderen Blickpunkt aufzuzeigen? Konnten Worte überhaupt genug sein, wenn jemand eine so große Schuld mit sich trug und nicht glauben wollte, dass Vergebung und Mitgefühl für sie existierten? Langsam drehte der Ritter seinen Kopf zur Seite und betrachtete die Schlafende. Mit ihr in diesem Zimmer zu liegen war für ihn weitaus mehr eine Prüfung, als er es sich zuvor ausgemalt hatte. Es strengte ihn an, und gleichzeitig hätte er darauf nicht verzichten wollen, hätte man ihm die Wahl gelassen. Alles ist eine Prüfung, jeden Tag aufs Neue.

      Gleichzeitig musste er den Blick auf seine eigene Vergangenheit immer wieder vermeiden. Auf das, woran er sich geklammert hatte, um anderen helfen zu können. Manches blieb besser ruhen, und doch hatte er es nicht ruhen lassen dürfen. Aloncor seufzte leise und drehte sich so, dass er Padawan Aquae den Rücken zuwandte. Wenigstens ebbte das Gefühl, innerlich waidwund zu sein, langsam ab. Fünf Tage nach dem Einsatz auf der Lightbringer kehrte seine Kraft langsam zurück, auch wenn sein Körper noch immer verrückt spielte, als sei er noch ein Heranwachsender, dessen Hormonhaushalt sich gerade einpendelte. Oder war es die Verstrahlung?
      Sie stellte kluge Fragen. "Was fehlt Euch, Ritter Torn?"
      Allein die Antwort durfte nie gegeben werden. Und bald, wenn er genesen war, würde der nächste Auftrag warten. Die nächste Aufgabe, der er sich ganz widmen würde, fort von Tython, weit weg von Alderaan. Pflicht. Manches Mal konnte auch dies heilsam sein, musste es heilsam sein. Zumindest hoffte er das und überließ sich der Stille, um wieder in die Meditation hinab zu gleiten, die er in diesen Tagen so dringend brauchte.
    • Hätte, könnte, wollte

      Die nackten Schultern des Jedi glänzten vom Morgentau, als die Sonne langsam über den Gebirgszügen von Tython aufging und das Tal mit dem Jedi-Tempel in strahlende Helligkeit tauchte. Es versprach ein schöner Tag zu werden, klar mit einem wolkenlosen Himmel und doch mit dem Vorgeschmack eines kommenden Winters in der Kühle des über die Ebene streichenden Windes. Aloncor Torn hatte sich einen Platz ausgesucht, auf dem es noch eine Weile dauern würde, bis ihn die Wärme der Sonne berühren konnte. Schweigend verharrte der Anfangsdreissiger in der klassischen Meditationshaltung, einzig mit der Hose seiner sonstigen Jedikluft angetan.
      Stiefel und Tunika wusste er noch auf seinem schlichten Zimmer liegen, wo er sie nach dem Erwachen zurückgelassen hatte. Eigentlich hätte er frieren müssen, aber er bemerkte die Kälte nicht, die den letzten Atem der vergangenen Nacht mit sich führte. Und er war abgelenkt von allen irdischen Bedingungen, mal grübelnd, mal dem Gesehenen nachforschend. Ein bisschen Hader mit sich selbst war ebenfalls mit dabei, auch wenn er wusste, dass dies nichts am Geschehenen ändern konnte. Hätte er doch nur ein wenig mehr Ruhe bewiesen, wie er es so oft tat.

      War es eine selbsterfüllende Prophezeihung, dass er ausgerechnet in der Nacht nach einem Gespräch über eine Diskussionsrunde zum Thema Visionen eine neue hatte haben müssen? Eine Vision, deren innewohnender Schrecken ihn wie einen kopflosen Idioten hatte aus dem Tempel stürzen lassen. Wenigstens hatte ihn nur eine Person dabei gesehen, und auf diese hatte er sicherlich genug verwirrenden Eindruck gemacht. Aber in diesem Zustand zwischen Vision und Wirklichkeit hatte er sich sicher sein müssen, irgendwo einen Anker finden, der ihn an der Realität hielt und ihm erlaubte, Abstand zu den Bildern einzunehmen.
      Das war die Crux bei Visionen. Manche waren von milder Qualität, zeigten nur farbige Bilder, einen Hinweis auf etwas, das geschehen sollte - jene Vision, welche ihn über viele Jahre lang begleitet und schließlich zur Auffindung eines alten Holocrons geführt hatte, war von jener Art gewesen. Wie ein alter Freund, der sich immer mal wieder mit einer Wortmeldung oder einer Randbemerkung in Erinnerung brachte, doch ansonsten kaum Belastung. Andere Visionen hingegen pflügten mit Urgewalt durch sein Sein, erschütterten die Festung, welche Aloncor um sein Inneres errichtet hatte und gaben sich beste Mühe, alle Schranken niederzureißen, die er ihnen entgegen stellte. Stetige Beherrschung und Distanz zu anderen, um ihren tiefen Empfindungen nicht ungewollt zu nahe zu kommen, hatte ihren Preis. Alles hatte immer irgendeinen Preis.

      Der Jedi blinzelte, als die Berge gegenüber in grelles Licht getaucht wurden. Die Helligkeit war nach der wohltuenden Nacht ein sehr heftiger Kontrast. Für einige lange Minuten fiel es ihm schwer, die Konturen des Bergkammes genau zu erkennen, sodass er sich lieber auf die vertrauteren Konturen des Tempels konzentrierte. Noch immer fühlte er sich aufgewühlt, bis ins Mark erschüttert. Aber die Bilder, die sich ihm so unerwartet offenbart hatten, berührten ihn auch emotional und vermutlich genau deswegen so unausweichlich. Leblose Körper, die über ihren Konsolen auf der Brücke eines unbekannten Schiffs lagen, im Hintergrund das grelle Piepen irgendeines Alarms, das einfach nicht verstummen wollte. Er stelbst Teil dieser Szenerie, taumelnd, kraftlos, vom Ruckeln und Krachen des Raumschiffs hin und her geworfen, bis er schließlich zu Boden ging.
      ... verloren... feuere verbliebene ...
      Hektische Finger, die über das Bedienfeld einer Konsole huschten, das Rucken abgefeuerter Waffen, abgebrochene Wortfetzen, die gegen sein Bewusstsein knallen, aber nur wenig verständlich sind. Padawan Aquae, die zwei andere anwies, seinen Körper hochzunehmen und zu einem Shuttle zu bringen.
      Alle Mann von Bord, Hauptreaktor überlädt. Verschwinden Sie!

      Krachen, der Gestank nach brennenden Stoffen, es wurde schwer, die Augen irgendwie offen zu halten, um dem dumpfen Dröhnen seines Schädels zu entkommen. Ich schlage einen Kollisionskurs ein ... Er versuchte, Einspruch zu erheben, aber sein Körper gehorchte ihm nicht, die Arme bleischwer, in den Lungen nicht genug Luft, um mehr zu produzieren als ein haltloses Keuchen. Andere schleppten ihn an Bord eines Shuttles, ließen die Padawan alleine zurück. Eine sich schließende Tür, kein Abschiedswort, nicht einmal mehr genug Luft für einen Gedanken. Das Shuttle entfernte sich, dann wurden die Fenster von der Explosion grell erleuchtet, in der zwei Schiffe zerfetzt wurden. Rotes Leuchten, das sich bis ins Mark in Aloncors Hirn einbrennt, und irgendwo ein Shuttle, inmitten dieses Tosens - und Schwärze, das überwältigende Gefühl eines nahenden Verlusts. Auch nach einer Nacht voller Meditation, in der er versucht hatte, die Bilder genauer aufzudröseln, hatte er nicht erkennen können, an Bord welches Schiffs er sich befunden hatte, gegen welchen Feind gekämpft worden war - und ob dieses einsame Shuttle am Ende eine Chance hatte, dem Feuersturm zu entkommen, welcher zwei Schiffe verschluckt hatte.

      Vermutlich war es wieder ein Kampf gegen die Schwarze Flotte, das erklärte Padawan Aquaes Präsenz auf der Schiffsbrücke, auch das Abfeuern von Waffen. Aber selbst wenn nicht - die Möglichkeiten waren endlos. Facetten einer möglichen Zukunft, in der er wieder einmal hilflos gewesen war, erschöpft von irgend etwas, das er vermutlich zuvor getan hatte. Zumindest, so dachte er mit einem Anflug grimmigen Humors, hatte die Vision keine Sith enthalten, welche ihm mit dem Lichtschwert seine Achillesfersensehnen durchtrennte, in sofern würde sich zumindest bereits Geschehenes vermutlich nicht wiederholen. Die Zeit auf der Krankenstation musste er auch nicht noch einmal erleben, so sehr er auch Ritterin Deikans nachdrückliche Fürsorge zu schätzen gelernt hatte.
      Als sich seine Augen langsam an den herannahenden Tag gewöhnt hatten, fröstelte er. Auf Tython würde alles seinen Gang gehen, vorandriften wie stets, ein Tag wartete, der für die Jünglinge, Padawane und Ritter gut durchstrukturiert war. Der Lehren und Lernen enthielt, wie er dies schon vor vielen Jahrhunderten an anderen Orten getan hatte. Doch heute konnte ihn dieser Gedanke einer stillen Regelmäßigkeit nicht trösten. Könnte er doch nur das eine tun, wovor er seit Wochen zurückwich, sich hinter einem höflichen Lächeln verbarg.

      Das Gespräch mit Meisterin Eryada vor einiger Zeit hatte ihm keine Hilfe offenbart, und er wusste auch, dass sie das nicht hätte bieten können - emotionale Dinge musste ein Ritter mit sich selbst ausfechten können, ohne dass ein Meister eine Richtung vorgab. Sie hatte versucht, ihm seine Optionen klarer darzulegen, die Entscheidung treffen musste er selbst. Bisher war er dieser ausgewichen, hatte es durch Distanz und Zurückhaltung versucht. Nach dieser Vision jedoch wusste der Jedi, dass es nicht so leicht sein würde, wie er es sich erhofft hatte. Aber was war schon leicht, wenn es Dinge betraf, die für einen Jedi stets eine Prüfung sein würden?
      Ein Ritter musste mehr können als den einfachen Weg zu beschreiten. Ein Ritter musste sich besser beherrschen können, selbst wenn es schwer fiel. Langsam strich er mit seiner Hand durch die Haare und glättete die kurzen Strähnen. Wenn Andenus von seiner Mission zurückgekehrt war, würde er mit seinem Freund sprechen müssen, vielleicht würde dieser eine Hilfe offenbaren, die niemand sonst bieten konnte. Wollte er diese Entscheidung wirklich treffen?

      Es würde sich leer anfühlen ohne diesen stillen Gedanken, den er ab und an hervorholte und im Stillen betrachtete.
      Doch selbst das war schon ein Schritt in die falsche Richtung, wenn man etwas nicht loslassen wollte. Tief atmete der Jedi die kühle Luft ein und rappelte sich schließlich auf, um mit einem geschmeidigen Sprung und durch die Macht verstärkt den Weg den Berg hinab zu finden. Als er in den Tempel zurückkehrte, wirkte seine Miene ruhig, ganz gleich, wieviele etwas verwirrte Blicke ihm ob seiner fehlenden Bekleidung folgten. Aber er galt ohnehin als etwas exzentrisch, was seine Spaziergänge in der freien Natur betraf, und das Waten mit nackten Beinen durch den Fluss ebenso. Was waren schon ein paar Tuscheleien mehr gegen die Bilder eines verzweifelten, vermutlich erfolglosen Kampfes gegen einen Feind, den er nicht benennen konnte? Vielleicht wusste Meisterin Eryada mehr - neue Erkenntnisse über die Schwarze Flotte, oder irgend etwas anderes, das einen Aufschluss erlaubte. An diesem Tag würde Aloncor Torn jedenfalls nicht irgendwelche Schriften studieren ...
    • Schuss vor den Bug

      Der Morgen graute, als der Jedi endlich zur Ruhe kam. Er hatte seine letzte Nacht auf Tython dafür genutzt, sich in die wilde Natur zurückzuziehen, sich ganz dem Wind hinzugeben, der bei den weiten Sprüngen über die schroffen Gebirgszüge um seine Ohren pfiff. Aloncor Torn mochte diese Momente, in denen er einfach nur fern von allem war, sich die wenigen emotionalen Lichtpunkte in seinem Kopf, welche die Präsenzen anderer Personen darstellten, mit steigender Entfernung zum Tempel nach und nach verringerten, bis es nur noch zu einem leisen Hintergrundrauschen wurde. Die lebendige Macht in allem um sich herum zu spüren hatte ihn schon immer beruhigen können. Es war einer der Schlüsselzugänge gewesen, die ihm sein einstiger Meister eröffnet hatte, um mit dem während seiner Pubertät in seinem Kopf als grauenvolles Chaos aufgekommenen tiefen Machttalent für die Gefühle anderer klarzukommen.
      Der Jüngling, den sein Freund Andenus einstmals vor anderen Kindern im Orden verteidigt hatte, war bis auf sein mangelndes Talent für den Lichtschwertkampf eigentlich ein glückliches Kind gewesen, sobald der erste Trennungsschmerz von seinen Eltern und seinen Geschwistern abgeebbt war und er die faszinierenden Möglichkeiten der Macht hatte kennenlernen dürfen. Mit seiner Pubertät aber war vieles anders geworden, die Zäsur war auch heute noch in Aloncors Erinnerung so deutlich vorhanden, als läge sie nur wenige Wochen zurück.

      Was ihn aus der Menge vieler Jedi heraushob, sein Talent zu einem der selteneren machte, war für den Padawan Aloncor zunächst nur der Gang durch eine ganz spezielle Hölle gewesen. Von heute auf morgen hatte sich die Wahrhemung seines Bewusstseins vertausendfacht. Die Emotionen anderer waren auf seinen darauf nur rudimentär vorbereiteten Geist eingeprasselt wie ein stetiges Sperrfeuer inmitten einer tosenden Schlacht. Nur Meister Soran-Tis ruhige Bedachtsamkeit war wie eine Mauer zwischen ihm und der Qual gewesen, die ihm das ungefilterte Fühlen anderer verursachte. Und, nach und nach, hatte er gelernt, seine geistigen Pforten zu schließen, nur noch die Dinge zuzulassen, die er zulassen wollte. Doch das Dauerfeuer blieb, es begleitete ihn jeden Tag, jede Stunde, jeden Augenblick. Das Entscheidende war der Umgang damit, wie mit allen anderen Empfindungen auch.
      Nach all den Jahren jedoch wusste er, wie er es in einem gewissen Abstand halten konnte, ohne davon belastet zu werden - zumindest auf den meisten Planeten. Dicht bevölkerte Stadtplaneten wie Coruscant oder auch der Huttenmond Nar Shaddaa, auf dem die gierigen Bedürfnisse der Besucher die meisten emotionalen Eindrücke überlagerten, stellten jedoch nach wie vor eine besondere Anstrengung dar. Früher oder später war der Druck auf sein Bewusstsein merklich, sodass er sich um derartige Ausflüge nie besonders riss. Aber eine neue Mission war eben eine neue Mission - und er hatte die Gelegenheit genutzt, um noch ein wenig Ruhe zu tanken. Sie war bitter nötig.

      Wie meinst Du das? Eim deutlicher Beiklang puren, klösterlichen Entsetzens hatte in diesem Augenblick in Andenus' Stimme gelegen. Es war keine Beichte gewesen, bei der sich Aloncor seinem Freund anvertraut hatte. Er hatte schlicht die Wahrheit gesagt. Wenngleich nicht wirklich jedes Detail der Wahrheit, weil Aloncor wusste, dass der andere Jedi bestimmte Dinge vermutlich vollkommen falsch verstanden hätte. Sich ein Bild von jemandem gemacht, das zur ohnehin vorhandenen schwierigen Vita dieser Person vermutlich eine negative Färbung beigefügt hätte - aber Aloncor wusste genau, wie manches gemeint gewesen war. Inzwischen auch, wieso sie so gehandelt hatte ...
      Das Problem war nicht diese eine, intensive Berührung zweier Lippenpaare, sondern wie er selbst darauf reagiert hatte. Dass für einen Bruchteil von Momenten sein Fokus an einem anderen Ort gelegen hatte als bei dem, was er war. Wo seine Pflicht lag. Und dieses Verhalten war unentschuldbar. Sogar gefährlich - wenn nicht für ihn, der die Nuancen und Untiefen von Emotionen seit vielen Jahren kannte und erkundete, dann vor allem für sie. Andenus' Worte waren klar gewesen, sehr deutlich, und Aloncor wusste, dass sein Freund recht hatte. Es war die Aufgabe aller Ordensgeschwister, einander in jeder erdenklichen Weise zu unterstützen, und wenn es für seinen Umgang mit ihr bedeutete, dass er keine Gelegenheit darstellen durfte, sie von der lichten Seite fernzuhalten, dann war dies seine Aufgabe. Musste es seine Aufgabe bleiben, unter allen Umständen.

      Seit dem Gespräch mit seinem alten Freund, dessen kaum verhehlter Überraschung, in die sich auch eine gewisse berechtigte Empörung geschlichen hatte, sah Aloncor endlich wieder klar. Diesen Schuss vor den Bug von einem Extrem hatte er gebraucht. Vielleicht war es das Wissen um genau diese Reaktion, die ihn das Gespräch hatte suchen lassen. Vielleicht auch der Wunsch nach ein wenig Vertrautheit in einer großen Menge Verwirrung. Andenus' ruhiges Pflichtbewusstsein, sein stetiger Ernst, sein Wille, unbedingt und stets zu dienen hatten eine erdende Wirkung, die dem Empathen guttat. Sicher, er stimmte nicht mit allem überein, was Andenus tat und wie er die Galaxis sah.
      Aber das war auch nicht das Entscheidende, mit ihm in allem konform zu gehen. Freundschaften entwickelten ihre Tiefe vor allem durch Unterschiede, dadurch, dass einem der andere Einblicke erlaubte, die man selbst vielleicht nicht erlangen konnte. Andenus durfte sich seine innere Stärke bewahren, den stetigen Trotz gegen die Feinde des Ordens, gegen finstere Sith, gegen all jene, die Unschuldigen oder weniger Unschuldigen Leid zufügten. Der ruhige, verlässliche Ritter war ein Kämpfer, würde es immer sein.
      Aloncor hingegen würde niemals so eindeutig licht sein wie sein Freund, konnte es auch nicht. Dafür lagen zu viele Nuancen in den Empfindungen der Lebewesen um ihn herum. Nur Schwarz und Weiss konnte es für ihn nicht geben. Dazwischen waren weitaus mehr Schattierungen von Grau, als er es erklären konnte. Und auch diese Schattierungen verdienten Beachtung. Wenn alle anderen es nicht konnten oder wollten, so war auch das seine Aufgabe. Seine Pflicht.

      Pflicht würde ihn wieder nach Nar Shaddaa führen, in der eigentümlichen Wiederholung eines anderen Besuches, ausgerechnet mit der Person, mit der er als allerletzter hatte eine solche Reise unternehmen wollen. Aber in diesem Punkt stimmte es wohl wirklich, was erfahrenere Jedi bisweilen scherzten - dass die Macht einen eigentümlichen Sinn von Humor hatte. Und vielleicht sollte es so sein, dass sie zusammenarbeiten mussten. Erkunden, wie es war, nach einem Fehler dennoch miteinander auszukommen, sich wie die Jedi zu verhalten, die sie waren oder zumindest sein sollten. Seltsamerweise hatte ihn diese Erkenntnis weit weniger nervös gemacht als er es gedacht hatte. Während Aloncor eine gute halbe Stunde später seine Sachen packte und diese mitsamt den Ausrüstungsgegenständen, die ihm vom Orden für die Mission zur Verfügung stellte, in Richtung des Hangars trug, in dem seine angeschraddelte Defender wartete, musste er unwillkürlich schmunzeln.
      Es war eine Herausforderung ganz anderer Art. Und eine, die ihm hoffentlich einmal mehr zeigen würde, wer er war. Nicht nur der Diplomat, der Todfeinde zusammen brachte. Nicht nur der Ermittler, der mit geschickten Fragen einer Spur bis zum Ende folgte. Nicht nur der Jedi, dem die Macht immer wieder Visionen zugedachte, mit denen er nicht immer gut zurecht kam. Auch ein Mann, dessen Erfahrungen ihn prägten und dessen Weg anders verlief als jener der meisten anderen Jedi, weil sein Blick zwangsläufig ein anderer war. Selbst wenn es bisweilen bedeutete, dass er Fehler machte, Fehler machen musste, um seinen eigenen Weg wiederzufinden. Als die Defender von Tython abhob, war das Herz Aloncor Torns ruhig wie schon eine ganze Weile lang nicht mehr.
    • Ein kleiner Abschied

      Es ist erstaunlich leicht, wenn man abgeschlossen hat.
      Die Situation auf Tython hatte sich in den letzten Stunden konstant verschlechtert und inzwischen war den Beteiligten der Kämpfe gegen die unbekannten, überaus zielstrebigen Angreifer auch anzusehen, dass die permanente Anstrengung an ihnen zehrte. Im Taktikkartenraum war ein behelfsmäßiges Lazarett errichtet worden, und der Diplomat bewegte sich leise durch die Reihen der Notbetten mit ihren hustenden, stöhnenden Besitzern. Immer wieder blieb er an einem Bett stehen, kniete sich neben dieses und versuchte, der verletzten Person darauf Zuspruch und Ablenkung zu bieten. In einer Situation wie dieser, welche taktisches Können und das Schwingen eines Lichtschwertes vermutlich das einzige waren, womit man diesen unhaufhaltsam wirkenden Vormarsch irgendwie zu bremsen vermochte, war ein wenig kriegerisch veranlagter Diplomat an vorderster Front mehr Hindernis als Hilfe.
      Also tat er, was er in solchen Situationen stets tat - er suchte sich einen Platz, an dem er nützlicher sein konnte als dort, wo er kampferfahrenen Rittern im Weg stand. Die vergangenen Stunden hatte er damit verbracht, auf Tythons Planetenoberfläche die Leute aufzusammeln, die in Notfallkapseln aus dem Orbit abgestürzt waren, um die meist zu Tode erschreckten, traumatisierten Soldaten zum Tempel zurückzubringen. Bis dieses Tun durch die vorrückenden Truppen des Gegners unmöglich geworden war. Die Geretteten waren nicht in Sicherheit, das wusste er inzwischen, da nun auch der Tempel direkt im Fokus der Angreifer lag. Aber solange man lebte, konnte man etwas tun. Aufgeben konnte man, wenn man tot war.

      Von all den Dingen, die man dem Mann von Druckenwell vorwerfen konnte - sein Hang dazu, Grauschattierungen eher zu betrachten als ein klares Schwarz oder Weiss, sich bei der Interpretation des Jedi-Codex auch liberaleren Ansichten offen zu halten, emotionale Verstrickungen zu anderen Personen - war mangelnde Hingabe an die Ideale des Ordens nie eine Frage gewesen. Aloncor Torn war ein seltsames Exemplar einer Mischform von Lebenseinstellungen. Er empfand sich selbst als Idealsten, der daran glaubte, dass die Galaxis die Hilfe und Hingabe des Jedi-Ordens brauchte, um gesund zu bleiben. Gleichzeitig aber war er Realist genug zu erkennen, dass man dieses Ziel nicht alleine mit gutem Willen und einem freundlichen Lächeln erreichte. Langwierige, zähe Verhandlungen mit verstockten Militaristen und sonstigen Ewiggestrigen hatten ihn dies relativ früh gelehrt.
      Und alles an der derzeitigen Situation sprach dafür, dass eine Flucht von Tython schwierig werden würde, wenn nicht vielleicht sogar nahezu unmöglich. Der unbekannte Feind war ihnen überlegen, hatte sogar die Orbitalstation zerstört. Die Angriffe, die Aloncor selbst erlebt hatte und bei denen durch diesen Angreifer schon Tage zuvor unbarmherzig alles Leben auf einer Thranta-Fregatte und republikanischen Aussenposten ausgelöscht worden war, waren so zielstrebig ausgeführt worden, dass die Wahrscheinlichkeit groß schien, dass dieses Schicksal auch dem Tempel bevorstand.

      Dies war eine Zeit für Kämpfer, für jene, die schnell genug waren, die stark genug waren, die vor allem mit ihrem Lichtschwert einen Unterschied machen konnten. Der Tempel würde fallen, und jeder, der sich etwas anderes vormachte, war vielleicht zu sehr mit dem nostalgischen Gedanken verhaftet, der mit den Wasserfällen, den Blumenwiesen und der Friedlichkeit des 'Padawanfelsens' einher ging. Für Aloncors kleine Welt war die Zeit auf Tython vorüber. Er würde nur Erinnerungen mitnehmen können, den Gedanken an den Duft der kleinen blauen Blumen, die Schönheit von Meister Aldes alderaanischen Rosen, die er noch vor wenigen Tagen auf Blattläuse untersucht hatte, wie er es immer tat, wenn er von einem Einsatz nach Tython zurückkehrte. Die Erinnerung an Gespräche, Gedanken, ein Lächeln. Den Wind in seinem Haar auf dem Weg in machtgestützten Sprüngen die Berge hinauf, bis er fast geglaubt hatte, fliegen zu können, nur für einen Bruchteil eines Moments, doch lange genug, um darüber Freude zu empfinden, bis ins innerste Mark hinein. Solche Augenblicke waren es, die ihm Kraft gaben, wenn die Galaxis dunkel wurde.
      Wenn auf dem Lichterteppich der emotionalen Eindrücke anderer nach und nach immer mehr kleine helle Punkte erloschen und schließlich nur noch dumpfe, schwarze Leere zurückblieb, umgeben von schwachen Echos, die als einzige Erinnerung an die Ausgelöschten zurückblieb. Sanft griff er die Hand einer Soldatin, die zitternd und mit verbundenem Oberkörper auf einer Liege lag und leise vor sich hin wimmerte. Physischer Kontakt kann Stressoren lindern, Padawan.

      Vielleicht würde Morwena es irgendwann verstehen. Die Chancen der Padawan hielt er für recht hoch, den Angriff auf Tython irgendwie zu überleben. Sie hatte ein Talent dafür, den Kopf oben zu behalten, und ihre Meisterin war irgendwo an einer anderen Front im Einsatz. Sie würden sich sicherlich wiederfinden, wenn das alles hier vorüber war. Er konnte nur hoffen, dass Saneera Uniri nicht vergessen würde, ihrer Padawan auch die anderen Dinge nahe zu bringen, die das Leben als Jedi ausmachte. Den Krieg kannte Morwena Aquae genug, doch hatte sie offensichtlich niemand den Frieden gelehrt.
      Aloncor lauschte den zittrig und müde gesprochenen Worten der verletzten Soldatin und versuchte, ihr Mut zuzusprechen. Als sie damit begann, von ihrer Familie zu berichten, ermutigte er sie mit behutsamem Nachdruck. Sie erzählte ihm von ihrer jüngsten Tochter, dem Nesthäkchen, das so gerne 'Jedi' spielte und die Rabauken aus der Nachbarschaft mit einem Stock verprügelte. Als die Frau schließlich mit einem Lächeln auf den Lippen vor Erschöpfung einschlief, lächelte auch der Diplomat einige Momente lang, bevor er die Augen schloss und die Geräusche um sich herum ausblendete.

      Er betrachtete seine Chancen nüchtern. Die Wahrscheinlichkeit, dass er überlebte, waren nicht allzu hoch. Es würde Jedi geben müssen, die versuchten, den Flüchtenden genug Zeit zu erkaufen, dass sie das Erbe des Ordens von Tython tragen konnten. Jedi, die imstande waren, den Geist der machtanwendenden Angreifer zu verwirren, wenn es ging. Dort sah er seine Aufgabe in den kommenden Tagen und bis dahin musste er seine Kräfte bewahren, um sie auch richtig ausfüllen zu können. Ich empfinde unsere Begegnung als Bereicherung.
      Mehr hatte er zu Morwena nicht sagen können, und er hoffte, dass ihm noch die Gelegenheit bleiben würde, sich auch von Andenus, Ritterin Deikan und Ritter Jarok zu verabschieden. Mit wenigen anderen auf Tython verband er so viel wie mit diesen Jedi, und man konnte sich schließlich nicht zu allen begeben, wenn gerade eine akute Notsituation vorlag. Während er seine Gabe langsam auffächerte, um unter den emotionalen Eindrücken seiner Umgebung diejenigen zu entdecken, die am ehesten der Hilfe bedurften, zuckte er leicht zusammen, als sein Geist ein Muster erkannte, das ihm von einigen Einsätzen her vertraut war. Schnell erhob er sich und ging in die Richtung der Liege von Ritter Jarok, der den Schlaf der Erschöpften schlief, mal wieder verbunden. Jarok hatte ein seltenes Talent dafür, sich kreative Verletzungen zuzuziehen, diese aber immer zu überleben - es schien dieses Mal dasselbe zu sein.

      Aloncor ging zu einem der Wassereimer, die im Lazarett parat standen, tränkte einen Lappen und ließ sich neben Efroy Jaroks Bett nieder, um diesem in aller Ruhe das schmutzige Gesicht zu reinigen. Es würde nichts helfen, es würde ihn nicht gesund machen, aber mehr konnte er für den Ritter im Augenblick nicht tun. Wieder einmal bedauerte er, dass seine Gaben ihm nur Einblicke gewährten, aber es doch letztlich immer viel zu wenig war, um anderen direkt zu helfen. Als seine Robe ein bisschen wackelte, hielt er den Ärmel so, dass der kleine Salamander, den er auf seinem letzten Ausseneinsatz als Mitbewohner gewonnen hatte, aus dem Ärmelinneren herausklettern und sich auf den Rand von Efroys Liege setzen konnte, neugierig züngelnd.
      Warum er den Kleinen 'Djeri' getauft hatte, wusste Aloncor selbst nicht so ganz, aber er musste immer kurz schmunzeln, wenn er das farbenprächtige, sture kleine Reptil sah, das trotz seiner Versuche, es auf seinem Heimatplaneten zurückzulassen, immer wieder zu ihm zurückgekehrt war. Vielleicht hatte Morwena Recht, und es gab irgendeinen seltsamen Grund in der Macht, wieso der Salamander ihn als Gefährten auserkoren hatte. Vielleicht war Djeri auch einfach nur reiselustig und neugierig - wer wusste das schon. Als Efroy im Schlaf ein Schnauben von sich gab, war es mit der Neugierde aber schnell vorbei und Djeri flüchtete in die Sicherheit des schon vertrauten Robenärmels zurück. Wieder schmunzelte der Diplomat einige Momente lang, den Blick danach wieder auf Efroy richtend.

      Dieses Mal war es anders als auf den vergangenen Missionen zuvor. Die Chancen waren einfach viel geringer, aber wenn es die Macht wollte, dann würde Efroy wieder fliegen, was er am liebsten zu tun schien. Ein Grund mehr, sich beim letzten Sturm auf den Tempel als standhaft zu erweisen. Sicher, er war wehmütig, dass sein Leben enden würde, aber für einen Jedi war der Gedanke an ein sinnvolles Opfer zum Wohle eines größeren Zeiles nichts, das nicht bedacht werden durfte. Sein Leben war von vielen interessanten Eindrücken gefüllt gewesen, und er hatte vieles erlebt, vieles gesehen.
      Mehr, als es das Schicksal normalerweise für einen Jungen aus einer armen Arbeiterfamilie auf Druckenwell vorsah. In manchem auch mehr, als es die strikten Regeln des Ordens einem Jedi zugestehen wollten - aber auch diese Erinnerungen hatten ihn bereichert und ihn geformt. Es gab nur wenig, das er bedauerte, und so fühlte er inzwischen eine ruhige Leichtigkeit bei dem Gedanken an das Kommende. Wenn man für sich eine Entscheidung traf, dann konnte man auch danach handeln. Nichts anderes würde Aloncor Torn tun. Und letztendlich dafür sorgen, dass ein Teil seiner letzten Vision wahr werden würde. Wenigstens hatte er nie die Erfüllung einer anderen Vision erleben müssen ...
    • Ohne Worte

      Zwei Dinge hatte der Jedi-Ritter Aloncor Torn gelernt, seit ihm die Fähigkeit abhanden gekommen war, zu sprechen: Handzeichen ließen sehr viel Spielraum für Interpretationen zu. Und seine Tippgeschwindigkeit auf dem Datapad reichte bei weitem nicht aus, um der Schnelligkeit seiner Gedanken während einer Konversation zu folgen. Es kam zu Pausen, Gesprächspartner waren gezwungen, sich Zeit zu lassen, während sie mit ihm sprachen. Nicht allen gefiel das.
      Während des kurzen Fluges nach Manaan hatte das für eine recht amüsante Szene gesorgt, für die Aloncor wieder einmal den seltsamen Humor der Macht verantwortlich machte: Er war kurz nach seinem Verstummen einer diplomatischen Mission zugeteilt worden, um auf Manaan Kolto-Lieferungen für den Stützpunkt Ska Gora auszuhandeln. Das Budget war minimal, die Nachfrage überaus groß und wurde von allen Seiten der Galaxis an die Manaan-Händler gerichtet.

      Ritter Demian Aurel, seines Zeichens Heiler, Ritter Xine Erauqs, Padawan Morwena Aquae und er hatten die kleine Gruppe gebildet, und da Aloncor der erfahrenste Diplomat von allen war, hatte der Älteste von ihnen - Ritter Aurel - ihm Vorstellung der Gruppe überlassen, ohne zu ahnen, dass Aloncor nicht dazu fähig war. Die entstehende peinliche Stille, als die Unterhändler von Manaan vor den Jedi gestanden hatten, hätte Aloncor fast auflachen lassen. Es war so ein absurder Moment, so sinnlos, wie so vieles in der letzten Zeit sinnlos war. Seit so viele Leben auf Tython erloschen waren und sie sich nur mit Mühe und Not von der Zufluchtsstätte der Jedi hatten retten können, schien die Galaxis immer weniger Sinn zu machen.

      Der jugendliche Aloncor hatte Coruscant brennen sehen, das tausendfache Erlöschen von Leben gespürt und war daran fast zerbrochen, doch sein Meister hatte ihm geholfen, über dieses Erlebnis hinweg zu kommen. Das Leben musste weitergehen, und die Ausbildung eines Padawans zum Ritter war anspruchsvoll und beschäftigte den brummenden Kopf des Jugendlichen, dessen empathische Gabe sich erst damals wirklich zu zeigen begonnen hatte. Der Erwachsene Aloncor indes fühlte auch Wochen und Monate nach dem Verlust Tythons dieses Erlebnis wie eine Wunde, die so langsam heilte, dass man meinen konnte, sie würde ewig offen und schutzlos der Welt zugewandt bleiben, die sich stündlich verdüsterte.
      Daran konnte auch der Sonnenschein auf Ska Gora nichts ändern. Ebenfalls nicht die Anteilnahme der anderen Jedi, allen voran Ritter Erauqs, der sich bemühte, das Verstummen des Diplomaten zu verstehen.

      Doch wenn es nichts zu verstehen gab, wie sollte man all das in Worte fassen? Wann immer Aloncor versuchte, etwas zu sprechen, war nur der Atem zu hören, welcher seine Kehle empor stieg, zu hören. Inzwischen hatte sich der Diplomat längst an diesen Zustand gewöhnt und kommunizierte auf andere Art und Weise. Einen morgendlichen Caf oder ein Glas Wasser konnte man sich mit Handzeichen ergestikulieren. Was das Mittagessen anging, hatte sich Aloncor Sonderwünsche abgewöhnt und beschied sich mit dem, was an eben jenem Tag ausgegeben wurde. Ansonsten blieb das Datapad, oder bei sehr komplizierten Sachverhalten, jene Art der geistigen Kommunikation, die er schon seit der Rückkehr nach Ska Gora mit Meisterin Derak geübt hatte. In einer Galaxis, die von unwichtigen Worten nur so brummte, schienen jene Aloncors nicht wirklich zu fehlen. Es ging auch so.

      Von einigen Leuten hatte er seit einiger Zeit nichts mehr gehört - wie mochte es wohl inzwischen Ritter Jarok gehen, der bei der Verteidigung von Tython verletzt worden war? Wie er diesen kennen gelernt hatte, war er frühzeitig wieder aufgestanden, hatte den Kampf weitergeführt. Mit aller Kraft, die ihm blieb, denn das war seine Art. Er würde vermutlich immer kämpfen, wenn ihm diese Möglichkeit blieb. Diese Zielstrebigkeit und Nachdrücklichkeit hatte Aloncor immer an Efroy Jarok bewundert. Es führte zwar oft dazu, dass der Ritter mit dem Kopf durch die Wand ging, aber diese zupackende Art riss andere mit. Sie hatte auch ihn selbst mitgerissen, der doch deutlich nachdenklicher und zögerlicher war, wenn es darum ging, Entscheidungen zu treffen. Diplomaten wogen sorgsam ab, Krieger nutzten das Momentum. Manchmal brauchte es beides.

      Aloncor Torn seufzte und bewegte sich n Richtung Sonne, die ein Stück weiter gewandert war. Sein kleiner Salamander Djeri hatte den Ritter längst zurückgelassen und war der Sonne einige Minuten vor ihm gefolgt. Das Reptil hatte einen untrüglichen Instinkt für den wärmsten Platz am Mittag und diente Aloncor als Richtungsweiser. Vielleicht auch als das einzige Lebewesen, das derzeit nicht versuchte, ihn zu therapieren.

      Wie wohl Ritterin Deikan mit seiner Stummheit umgegangen wäre? Fehlende Worte konnte man nicht in ein Bett stecken und so lange dort behalten, bis sie sich wieder eingefunden hatten. Sie war verschwunden, und es war lange her, dass er irgend etwas über ihren Verbleib gehört hatte. Ob es ihm möglich sein mochte, ihr Vergehen in der Macht zu spüren, konnte er nicht mit Sicherheit zu sagen, aber da er nichts dergleichen gespürt hatte, hoffte der Diplomat einfach das Beste. Irgendwann würde er wieder mit ihr tanzen, auf irgendeiner Wiese, zu Musik aus einem Com-Gerät. Bis dahin musste er einfach das Beste hoffen. Wie er es für alle tun musste, die da draussen irgendwo waren.

      Allen voran sein Freund Andenus Dexter. Was würde er sagen, wenn er Aloncor in der Sonne sitzend auf Ska Gora sehen könnte? Würde er ihm einen Vorwurf machen, dass er nicht mehr tat, nicht aktiver nach draussen ging, um seine Pflicht zu tun? Aber seit Tython ließ Aloncor die Frage nicht mehr los, ob er überhaupt etwas bewirken konnte da draussen. Er war weder Heiler noch Krieger, und in Zeiten des Krieges brauchte man jene vor allem. Die Diplomaten schienen angesichts eines übermächtigen Feindes, der ohne erkennbaren Grund Leben ausradierte, immer sinnloser zu werden.

      Ein vager Eindruck von Besorgnis ließ ihn seit Tagen nicht los. Irgend etwas braute sich zusammen, und Aloncor konnte keinen Finger darauf legen, was genau es war. Ska Gora lag abseits genug und achtete auf alle Sicherheitsmaßnahmen, um von so vielen Radaren zu verschwinden wie möglich. Es hatte keine neuen Visionen gegeben, keine neuen Träume. Fast konnte man meinen, dass auch Aloncor vom Radar der Macht verschwunden war, was die freigiebige Ausgabe von wahllosen Fakten aus der Zukunft anging. Er war sich nicht sicher, ob das eine gute oder schlechte Entwicklung darstellte.

      Ritter Erauqs hatte ihm geschrieben, dass ein Ort der hellen Seite auf Ska Gora gefunden worden war, der eine regenerierende Aura besitzen sollte. Jedes Wort in der Com-Nachricht des Ritters war ein Drängen, er möge dorthin gehen und endlich gesunden. An jedem anderen Tag hätte Aloncor darüber vermutlich gelächelt. Xine Erauqs besaß die Heftigkeit und Überschwang einer Jugend, die Aloncor auf ganz andere Weise erlebt hatte. Gerne begleite ich Euch dabei oder Ihr geht in anderer Begleitung. Wen er damit meinte, lag auf der Hand. Die andere Baustelle, bei der Aloncor derzeit mehr als hilflos war. Seit Meisterin Eryada signalisiert hatte, dass sie mit Padawan Aquae und ihm wegen der Zukunft der Padawan sprechen wollte. Was das bedeutete, war auch klar.

      Padawan Aquae würde sicherlich einen neuen Meister erhalten und dann war seine Mentorenschaft vorüber. Ihr Meister konnte und durfte er nicht werden, auch wenn die Versuchung stark war, sich genau das zu wünschen. In ihrem Interesse durfte er nicht einmal an diesen Wunsch denken. Still blickte Aloncor Torn in den Himmel von Ska Gora, blinzelte der Sonne entgegen und fühlte die damit einher gehende Wärme auf seiner Haut. Als er sich schließlich erhob, straffte er seine Gestalt, klopfte die Robe aus und formte mit den Lippen einige tonlose Worte, die alsbald vom Wind hinweg geweht wurden.

      Genug damit. Genug mit der Trauer.
    • Auf der Suche

      Ein blinkendes, rotes Licht benachrichtigte zwei Meisterinnen auf dem Stützpunkt Ska Gora davon, dass eine neue Nachricht eingetroffen war. Geduldiges, in einem stillen Rhytmus blinkendes Licht, das wenig Aufmerksamkeit heischte, als hätte sich die technische Ausrüstung längst daran gewöhnt, dass man sie erst in Momenten beachtet, an denen es nichts anderes zu tun gibt. Und zu tun gibt es immer vieles auf dem entlegenen kleinen Stützpunkt mit den vielen so unterschiedlichen Personen, Wünschen und Zielen.

      Meisterin Derak, Meisterin Eryada,
      wie Ihr sicherlich wisst, ist Padawan Aquae im Zuge einer Mission unter der Führung von Ritter Erauqs verschollen und auch eine Rettungsmission hat nicht geholfen, über ihren Aufenthaltsort Rückschlüsse zu gewinnen. Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, auf welche Weise meine Anwesenheit auf Ska Gora für andere hilfreich und sinnvoll sein mag und bin zu dem Schluss gekommen, dass meine eigentlichen Aufgaben nicht auf dem Stützpunkt zu finden sind.

      Ich war Zeit meines Lebens viel unterwegs und habe zunächst an der Seite meines Meisters, dann als Ritter die Galaxis bereist. Von allen Personen auf Ska Gora bin ich vermutlich derjenige, der den Abdruck in der Macht, den Padawan Aquae ausprägt, am Besten kennt. Daher habe ich beschlossen, auf die Suche nach ihr zu gehen. Ein einzelner Mann kann zwischen Sternen hindurchschlüpfen und sich einen langweiligen, durchschnittlichen und bodenständigen Anstrich geben, wie es immer wieder für meine bisherige Arbeit notwendig war.

      An dieser Stelle möchte ich mich für die gemeinsame Zeit bedanken, ebenfalls für Euer beider Fürsorge und Aufmerksamkeit, die es mir ermöglicht hat, in vielem wieder klarer zu sehen. Sollte ich nicht zurückkehren, hoffe ich, dass dem Projekt Ska Gora der Erfolg beschieden sein wird, der ihm gebührt und für welchen Ihr so hart arbeitet. Es waren interessante und fordernde Wochen und Monate, die mich einiges gelehrt haben.
      Wenn ich zurückkehre, dann nicht ohne Padawan Aquae, damit sie endlich ihre Ausbildung fortführen kann. Meisterin Eryada, es ist mir bewusst, dass nicht ich ihr Lehrer sein kann und es viele Gründe gibt, die dagegen sprechen, ihr Leben weiterhin als Mentor zu begleiten. Die Tür dorthin jedoch möchte ich ihr gerne öffnen, sofern ich es denn zu tun vermag.

      Möge die Macht mit Euch sein
      A. Torn

      Während noch ein kleines rotes Licht blinkte, war der Absender längst unterwegs. Es hatte nicht viel zu packen gegeben, denn seine Kleidung würde er ohnehin noch wechseln müssen. Nur seine Alltagsrobe und das Lichtschwert, dazu den Kulturbeutel und Wechselunterwäsche führte der Diplomat mit sich und wartete geduldig ab, bis das Versorgershuttle von Ska Gora Richtung Coruscant die Mitte der bewohnten Galaxis erreicht hatte. Coruscant war einst eine strahlende Bastion der Jedi gewesen, doch das hatte sich spätestens seit dem Angriff der Sith geändert. Man hatte Räumlichkeiten wieder aufgebaut, aber die Erinnerung an die Schändung des alten Tempels durch die Diener der Dunklen Seite war für all jene, die es miterlebt hatten, ein Einschnitt, den man nicht zurücknehmen konnte.
      Eine der Wunden, die nicht heilten.

      Noch immer quoll der Planet von Leben über, noch immer stellte sich in der Nähe desselben das vertraute, dumpfe Ziehen in Aloncor Torns Schädel ein, das er nie los wurde, wenn er sich auf dicht bevölkerten Stadtplaneten befand. Es waren einfach so viele Emotionseindrücke, die er ausschließen musste, so vieles, das auf seine Sinne einprasselte. Mit den Jahren war es jedoch leichter geworden, die unwillkommenen Empfindungen anderer auszuschließen, wenn er es musste. Coruscant war jedoch nicht nur anstrengend oder eine bittersüße Erinnerung. Coruscant war vor allem ein Planet, auf dem man gut untertauchen konnte.

      Wer die strahlend schönen oberen Ebenen zu verlassen bereit war, fand in den Ebenen darunter viele Gelegenheiten, sich Hilfe und neue Möglichkeiten zu schaffen. So besitzlos Jedi auch lebten, hatten gerade die Diplomaten immer wieder Gelegenheiten gefunden, die ein oder andere Tarnidentität anzulegen und aufzubewahren, für eben jenen Moment, in denen sie gebraucht wurden. Wer ermittelte, erfuhr viel mehr, wenn er wirkte, als sei er Teil der normalen Bevölkerung, anstelle in Robe und Lichtschwertschwenkend Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

      Als das Shuttle in einem der großen Raumhäfen aufsetzte, hatte Aloncor sein Lichtschwert längst in einem schäbigen Lederrucksack verstaut und die Robe an den Ärmeln umgekrempelt und mit einem Gürtel so hochgezogen, dass er eher wie ein ärmlicher Bauer von irgendeiner Randwelt wirkte denn ein in den Angelegenheiten der Welt erfahrener Jedi. Entsprechend ließ er sich auch von der ihn umgebenden Menge an unterschiedlichsten Lebewesen treiben, bewunderte angelegentlich die Souvenirs an einem Stand in einem der Nebengänge und bewegte sich schließlich in Richtung der öffentlichen Nahverkehrs-Shuttles, um seinen Weg tiefer hinab in die mittleren Ebenen fortzusetzen. Wieder hatte sich in jenem Viertel, in dem die Box mit seinen neuen Daten lagerte, so vieles verändert, dass ihm die vielen kleinen Läden und Imbissbuden am Rand der Promenade nicht mehr bekannt vorkamen.

      Wo es früher einen ithorianischen, vegetarischen Fastfood-Laden gegeben hatte, prangten nun Werbetafeln für ein Burger-Restaurant der schmierigen Sorte. Aber er war nicht zum Essen hergekommen, sondern setzte seinen Weg durch den Wirrwar der verschiedenen Nebenstraßen fort. Wenigstens waren die Gebäude gleichgeblieben, sodass sich der Jedi an den Formen orientieren konnte, bis er schließlich eine ziemlich abgerissene Werkstatt erreichte, in deren etwas schmuddeligen Schaufenstern halbe Droiden und sonstiges technisches Spielzeug prangten.

      "Tach," brummte der nicht weniger schmuddelige, voluminöse schmutziggrüne Twi'lek hinter dem Tresen in die Richtung des potentiellen Kunden, der erstmal etwas verschüchtert angesichts des trüben Lichts im Laden wirkte. "Ehm, ich suche .. Ersatzteile. Für meinen Droiden, ja. Protokolldroide, hat immer 'n bisschen einen Hau weg, wenn er geht. Kniegelenk is' wohl kaputt," radebrechte Aloncor in die Richtung des Twi'lek, der unbegeistert nickte. Der Eindruck eines Ladenbesitzers, der eigentlich lieber in Ruhe den nächsten Holoporno schauen wollte, war perfekt, aber auch nur ein Teil einer sehr gelungenen Tarnung. Tatsächlich verkaufte dieser Twi mit dem riesigen Schmerbauch technische Teile, aber seit die Jedi seine halbwüchsige Tochter aus einem Kriegsgebiet gerettet hatten, war er einer der vielen, stillen Unterstützer des Ordens, der für jene, die ihn kannten, Dinge aufbewahrte.

      "Da hab' ich vielleicht was passendes da, Mister," sagte der Twi'lek schließlich, nachdem sich der potentielle Kunde durch gut gespieltes Ignorieren nicht vertreiben ließ. "Was für 'ne Serie is' die Blechbüchse denn?" Aloncor nannte ihm mit der Seriennummer das eigentliche Codewort, das bestimmte, welche Box mit Tarnidentität er haben wollte, und der Twi schlurfte im Schneckentempo in den hinteren Bereich seines Ladens, wobei es wirkte, als könnte selbst ein Hutte ihn links überholen. Gefühlt war eine Viertelstunde vergangen, als der schmuddelige Twi'lek wieder auftauchte, eine etwas angestoßene Box unter den Arm geklemmt. Als er diese auf dem Tresen plazierte, öffnete er sie und zeigte seinem Jedi-Kunden ein Droiden-Kniegelenksteil, das nicht mehr ganz taufrisch war, aber durchaus funktional wirkte. Aloncor nahm es aus der Box heraus, bewegte es ein paar Mal und nickte, bevor die beiden Männer eine lange Feilsch-Diskussionen über den Preis begannen.

      Als der Jedi endlich aus dem Laden heraus kam, war gut dreiviertel Stunde verstrichen und sein Hals schmerzte von den vielen Worten, die er dabei hatte sprechen müssen. Fast konnte man meinen, seine Stimme wollte noch nicht so recht den Dienst tun, den er ihr wieder abverlangte. Glücklicherweise hatte er alles, was er brauchte. Gut im Inneren des Droiden-Kniegelenks versteckt trug er den Codestick für einen Lagerraum bei sich, in dem ein Kleidungspaket und weitere nützliche Dinge lagerten. Alles nur, um ein anderer zu werden, der für Behörden und Zakuul-Kräfte so uninteressant wie nur möglich erscheinen musste. Ein mittelmäßig erfolgreicher Frachterpilot, der aus irgendeinem Navigationsfehler heraus im falschen Quadranten landen würde. Pechvögel waren unauffällig, und arme Leute, die nur versuchten, ein paar Credits zu machen, fielen nirgendwo groß auf, da es sie überall gab. Für jemanden, der auf so gut wie alles im Leben verzichtete, war eine solche Rolle nicht schwer zu spielen.

      Vor allem, wenn es ein so wichtiges Ziel war. Ein stilles Abschiedsgeschenk, denn was immer zwischen ihnen beiden war, es musste enden, sobald sie einen neuen Meister fand. Allein schon, um ihr eine Bindung zu ermöglichen, wie er sie selbst zu seinem Meister gehabt hatte - tiefgreifendes Vertrauen und Offenheit. Da durfte niemand im Weg stehen, sie niemand beeinflussen. Andenus' Worte erklangen auch nach so langer Zeit deutlich in seiner Erinnerung: Er durfte nicht zum Grund werden, warum Morwena zur Dunklen Seite zurückkehrte. Das Leben eines Jedis erforderte Verzicht, und so würde er verzichten. Ein letztes Mal noch würde er alles tun, um ihr zu helfen, und dann - die Galaxis war weit. Vermutlich war alles, was auf Tython gewesen war, für sie mit diesem Planeten ohnehin gestorben - kein privates Wort seitdem, kein längeres Gespräch, keine getauschten Bilder oder Gedanken. Aloncor Torn lächelte matt, fast ein wenig wehmütig, was ihm einen schiefen Blick eines Rodianers eintrug, mit dem er fast kollidiert wäre.
      So vieles hätte anders passieren sollen, und doch hatte die Macht ihn auf diesen Weg geführt. Es war nur richtig, sich ein weiteres Mal der Macht anzuvertrauen, um eine im Weltraum verloren gegangene Padawan zu finden.
      Der anscheinend etwas tumbe Mann mit den altbackenen, einfachen Kleidungsstücken tauchte im Strom einer müde blickenden, ausgelaugten Masse unter und verschwand auf der schäbigen Promenade, seinem Ziel in kleinen Schritten zustrebend.
    • Vertrauen

      Durch die Scheibe des Cockpits wirkte der Weltraum unendlich. Vollkommene Schwärze, von Lichtpunkten ferner Sterne durchbrochen, ein samtig-matter Teppich, der abertausende Leben sicher umfing und ihnen einen Platz während ihrer Existenz zuwies. Manche erhoben sich aus diesem sicheren Gefüge zu den Sternen und zogen aus, um Abenteuer zu erleben. Andere kamen nie über den begrenzten Horizont ihrer Heimatwelt hinaus und sehnten sich auch nicht danach.
      Auch nach all den Jahren war dieser Anblick für Aloncor Torn faszinierend. Sich vorzustellen, wie viele Einzelschicksale auf den Lichtpunkten da draussen warteten, dass jedes Leben die Möglichkeit in sich barg, etwas Großes und Herausragendes zu tun, vielleicht sogar für viele die Realität zu verändern, überforderte seine Vorstellungskraft. Dennoch hatte der Gedanke etwas tröstliches. Diesen Funken Inspiration bei anderen wahrnehmen zu dürfen, vielleicht sogar dabei zu helfen, ihn zu nähren und wachsen zu sehen, war für ihn eines der schönsten Dinge dieser Galaxis. Allzu oft gab es Momente, in denen er andere Lebewesen nicht verstand, trotz aller tieferer Einsicht in deren emotionale Lage. An manchen Tagen wollte er angesichts der Dinge, die sich ereigneten, still verzweifeln.

      Der Pilotensitz des zammeligen Frachters war überraschend bequem, auch nach einigen Stunden stillen Verharrens an Ort und Stelle drückte noch nichts an irgendeiner Stelle seines Körpers. Der Jedi in seiner etwas abgerissenen Kleidung bot das perfekte Bild eines Frachterpiloten, der im Moment eine schwierige Zeit durchmachte. Mit einem gewissen Amüsement hatte Aloncor die Unterschiede festgestellt, die sich im Umgang mit dem unbekannten, unwichtigen Mann eingestellt hatten. Plötzlich war bürokratischer Aufwand an den Raumhäfen wirklich ein Problem - während man Jedi-Raumschiffe schon alleine wegen der Wichtigkeit ihrer Missionen meist durchwinkte, musste sich sein neues Ich in erschreckender Vehemenz mit engstirnigen Beamten und sonstigen, sich für wichtig haltenden Personen auseinandersetzen.
      Und natürlich mit der Einsamkeit, die seine Suche begleitete. Nach der berückenden Enge von Ska Gora, in der man sogar zu Anfang die Schlafstätte mit anderen hatte teilen müssen, nach diversen Missionen auf dicht bevölkerten Planeten, nach den Kämpfen auf Tython mit den vielen erlöschenden Leben, fühlte sich die Leere des Alls an, als sei er innerlich irgendwie abgestumpft. Dumpfes Fehlen von etwas, dem er ansonsten gerne aus dem Weg ging. Er vermisste die allgegenwärtigen Emotionseindrücke anderer nicht, aber dass sie nicht vorhanden waren, fiel auf.

      So blieb Zeit, nachzudenken. Sich auf die Suche einzustimmen, die ihn in diesen Teil der Galaxis geführt hatte, der Spur folgend, die Morwena hinterlassen hatte. Die letzte Mission, auf die er sich gemeinsam mit ihr und den Padawanen Shinzu Saito und Chiara De'Ley begeben hatte, war wieder eine der Sorte gewesen, die den Zweifel an anderen Lebewesen nicht gerade verkleinert hatte. Ebenso an den Motiven der Republik. Dass man die Jedi zu Brennpunkten rief, an denen lokale Sicherheitskräfte keine Möglichkeiten mehr sahen, war nichts Ungewöhnliches. Dass man sie jedoch mit einer Meldung über angreifende Zakuul-Truppen nach Zutask gelockt und sie dann mit einem abgesperrten Bereich der Hauptstadt konfrontiert hatte, innerhalb dessen eine tödliche Seuche herrschte, hätte ihn deutlich misstrauischer machen müssen, als es geschehen war. Innerhalb der durch eine Kuppel abgeriegelten und streng kontrollierten 'Dead Zone' hatten sie versuchen müssen, von den verzweifelten Infizierten Informationen zu erlangen, was der Grund für all das Elend war.

      Menschen waren voller Angst aufeinander losgegangen, die erlöschenden Leben um ihn herum hatte der Jedi irgendwann nicht mehr gezählt, froh darum, dass er seine Atemmaske hatte, welche vor Infektionen schützte. Als die kleine Gruppe endlich erfahren hatte, dass die Seuche auf einem Biowaffen-Experiment der Republik fußte, welches eine neue Wunderwaffe gegen Zakuul darstellen sollte und dann entsetzlich schiefgelaufen schien, war es für die meisten der Infizierten schon fast zu spät gewesen. Die Behörden hatten dichtgemacht und sich geweigert, die vier Infizierten mit mutmaßlichen Informationen über die Seuche, welche die Jedi in der Dead Zone hatten auftreiben können, aus der Quarantänezone herauszulassen.

      Erst nach zähem Ringen, der Übergabe des vermuteten Heilmittels und anderer aufgefundener Hintergrund-Infos waren die Behörden bereit gewesen, eine alternative Lösung in Betracht zu ziehen, die nicht bedeutete, dass man von vorn herein das gesamte abgesperrte Gebiet und die Infizierten mit Feuer reinigte. Dreissig Leben mehr, die man dadurch hatte retten können. Dreissig von etwa vierhundert aufgefundenen, die an der Seuche schließlich doch gestorben waren. War das nun der Krieg, wie man ihn nach den neuen Vorgaben der republikanischen Regierung führen musste? Ohne Rücksicht auf Leben, ohne Mitgefühl für das Leid derjenigen, die sich dieses nicht ausgesucht hatten? Dreißig Leben. Über die dreihundertsiebzig anderen und all jene, die davor gestorben waren, durfte er nicht nachdenken.

      Ein Dutzend Fragen mehr, die er sich stellen musste. Die sich sicher auch die anderen stellen würden, vor allem die junge Padawan De'Ley, die mit dem Leid und den vielen Ereignissen nur schwer zurecht gekommen war. Bei Shinzu Saito und Morwena war die größere Erfahrung spürbar gewesen. Es waren schwere Zeiten für junge Padawane, schwere Zeiten für den Jedi-Orden an sich. Im Angesicht von so viel Angst und nackter Panik war es schwer, die Menschlichkeit zu bewahren. Ob seine Worte dort überhaupt jemanden erreicht hatten, wusste er nach wie vor nicht. Die einzige Waffe eines Diplomaten schien in diesen Zeiten seltsam stumpf geworden.

      Und doch - hier, inmitten des schwarzen Mantels, welchen die Galaxis über den vielen einzelnen Schicksalen ausbreitete, die aufsteigen, glänzen und erlöschen würden wie die vielen Sterne um ihn herum, saß der Jedi Aloncor Torn in einem ziemlich schraddeligen Frachter und vertraute auf die Macht. Lebewesen konnten fehlgehen, konnten falsche Entscheidungen treffen, konnten grausam und unmenschlich handeln. Nicht aber die Macht. Die Macht war ewig, und sie würde noch vorhanden sein, wenn er selbst lange nicht mehr war. Irgendwann wäre er selbst eines der Leben, das erlöschen würde, früher oder später. Wenn es ihm bis dahin gelang, andere Leben auf eine Weise zu berühren, dass sie eben nicht vergaßen, dass es mehr gab ausser Angst, Schmerz und Hass, wäre es nicht umsonst.
      Genausowenig wie seine Suche nach Morwena Aquae, die für jeden halbwegs rational denkenden Menschen vermutlich überstürzt und sinnlos erschien. Und doch wusste er, dass er dies tun musste. Die Gewissheit um diesen Auftrag konnte er nicht in Worte fassen. Es war eine Gewissheit wie bei den Visionen, die er früher einmal erhalten und deren Sinn er erst viel später erfahren hatte. Auf diese Gewissheit hatte er zu vertrauen gelernt.

      Soren-Ti setzte sich neben dem in embryonaler Haltung zusammen gerollt liegenden Padawan auf den Boden und legte sanft seine rechte Hand auf die Schulter des schluchzenden Jungen. Für lange Zeit war kein anderes Geräusch zu hören als der zitternde, tränengeschwängerte Atem des Teenagers, der seine Hände in das Vorderteil seiner einfachen Padawantunika gekrampft hatte, unfähig, sich irgendwie zusammen zu reißen. Erst als er schließlich doch verstummte, löste der Nautolaner seine Hand wieder und wartete ab.
      Die klare, milde Bergluft Alderaans versprach einen Frieden, den sie auf Coruscant nach der Zerstörung des Jedi-Tempels verloren glauben mussten, irgendwo im Hintergrund zirpte ein Insekt einen einsamen Balztanz, um ein weibliches Exemplar seiner Spezies für sich zu interessieren. Es dauerte lange, bis der junge Mensch sich aufrichtete und Rotz und Tränen in den Ärmel seiner Tunika wischte, um seinem Meister ein etwas weniger verheultes Gesicht zu präsentieren.

      "Hört es irgendwann auf, Meister? Irgendwann?" stellte Aloncor die ewig gleiche Frage. Soren-Ti lächelte und nickte langsam. Dass sein Padawan sein eigentliches Machttalent erst entwickeln würde, nachdem er bereits eine ganze Zeitlang mit ihm gereist war, hatte auch der alte Nautolaner nicht erwartet, doch es schreckte ihn nicht. Er sah die Möglichkeiten hinter all den Unsicherheiten und Schmerzen.
      "Es wird aufhören, sobald Du gelernt hast, Deinen Geist zu beruhigen, mein Schüler. Vertraue auf die Macht. Sie wird Dir keine Bürde auferlegen, die Du nicht tragen kannst." Aloncor blickte in den strahlend blauen Himmel des Planeten und betrachtete die Berge, folgte dem Flug eines Vogels mit dem Blick. Es war friedlich hier und vor allem still in seinem Kopf, weil in der näheren Umgebung kaum Menschen waren. Erholung, die er nach den Schrecken von Coruscant dringend brauchte.
      "Es ist so schwer, Meister," flüsterte der junge Padawan mutlos und ließ die Schultern hängen. "Nicht, wenn Du Dir Orte der Ruhe erschaffst, an die Du Dich zurückziehen kannst, wenn Du spürst, dass es schwer für Dich wird. Denke an einen Ort, an dem Du Ruhe fühlen konntest. Stell ihn Dir vor, mein Schüler, was siehst Du?"

      Vertraue auf die Macht. Es hatte lange gedauert, bis er die Worte seines Meisters wirklich verinnerlicht hatte. Nicht nur vom Verstand her begriffen, sondern auch tief empfunden verstanden und nachempfunden. In all den vielen Dingen, in all den schrecklichen Erlebnissen, die er im Lauf der Jahre hinter sich gebracht hatte, war stets ein Funke Hoffnung geborgen gewesen. Dreissig Leben unter knapp vierhundert.
      Und eine Padawan, die einst eine Sith gewesen war, irgendwo da draussen. Für einen Moment lang stand die Erinnerung an Tython deutlich vor seinen Augen. Sonnige Wiesen, das leise Rauschen des Windes in den hohen Bäumen, hintergründiges Wasserplätschern von einem nahen Bach, große Felder blauer Blüten im Gras. Ein Lächeln, das wärmer war als die Sonne, gepaart mit einigen spitzen, hintergründigen humorigen Kommentaren. Unwillkürlich musste auch der Jedi lächeln. Als er den Navigationscomputer programmierte und sich das Schiff im Hyperraum verlor, wurde er ein Teil der Milliarden Schicksale dieser Galaxis. Eines darunter würde er ändern können.
    • Flammenfall (21NVC)

      Die Hitze in der Umgebung war fast körperlich fühlbar. Irgendwo über ihm war das Knacken eines Metallstreben zu hören, der durch die Flammen zu schmelzen begonnen hatte und sich verzog. Er konnte kaum richtig atmen, so heiß war die Luft um ihn herum, und erst, als er sich einen stabilen Schild mit der Macht erschaffen hatte, konnte er weiter vorwärts gehen. Krachend ging neben ihm ein Stück der Decke zu Boden und Aloncor blickte sich eilig um. Irgendwo in der Fabrikanlage, die der Gang als Unterschlupf diente, mussten sie sich befinden. Der Eindruck von überwältigender Furcht und Todesangst, der gegen Aloncors Geist hämmerte, war so stark, dass es ihm schwer fiel, die Richtung zu bestimmen, aus der diese Eindrücke stammten.

      Er versuchte sich zu konzentrieren, die Umgebung auszublenden, soweit es nur möglich war. An einem Ort, der vollständig in Flammen stand, an die kühlen Berghänge Tythons oder Alderaans zu denken, war etwas, das er sich als Jüngling oder Padawan bei seinen Konzentrationsübungen niemals ausgemalt hätte. Fauchend schoss neue Lohe aus einem Türrahmen in seiner Nähe heraus und zwang den Jedi, einige schnelle Sprünge vorwärts zu machen, tiefer in das Gebäude hinein. Inmitten der flackernden Flammen waren kaum noch Details zu erkennen, sodass er nur mit Mühe noch eine Ecke erspähen konnte, an der er für einen Moment innehalten konnte, um sich umzublicken. Eine Treppe hinauf eilend, folgte er der stärksten Emotion direkt hinein in einen Gang, dessen Wandträger bereits rötlich zu glühen begonnen hatten. Sein Kopf hämmerte, das Atmen fiel ihm in der verrußten und stickigen Luft immer schwerer. Aloncors Augen tränten in der Hitze, während er versuchte, zwischen den flackernden Flammen und dem gleißenden, fast weißen Rot irgend etwas zu erkennen.

      Als ein unterdrückter Schrei aus dem Inneren der Flammen zu hören war, lief er voran, seine Geschwindigkeit mit der Hilfe der Macht verstärkend. Während die Bodenplatten unter dem Hämmern seiner Stiefel zu brechen begannen und hinter ihm durch das Gerippe der Stützbalken brachen, eilte er der fast körperlich spürbaren Todesangst entgegen, die sich in sein Innerstes wie ein Stich einbrannte. Wieder fielen Trümmerteile in seinen Weg, denen er nur zum Teil ausweichen konnte. Er registrierte den empor zuckenden Schmerz an seiner rechten Schulter, setzte über mehrere bereits nahezu zerstörte Containerteile hinweg und wich einem Rest Plastoidfolie aus, die sich im Flammenmeer schnell verzehrte und fast an seiner Kleidung kleben geblieben wäre. Endlich hatte er den richtigen Raum erreicht. Der Grund für ihre Angst war sofort zu sehen, drei Kinder kauerten am äußersten Rand des vorherigen Vorratsraumes an einer großen Kiste, die noch die Flammen von ihnen ferngehalten hatte. Der Boden in der Raummitte war durchgebrochen, unten zuckten aus dem gähnenden Loch weitere Flammen empor. Für ein normales Lebewesen nicht zu überwinden, für einen Jedi jedoch ...

      Seine Glieder schmerzten, als er mit einem gewaltigen Satz über den Abgrund sprang, sich den Jüngsten in den Arm zog und den beiden Mädchen bedeutete, sie sollten sich an ihm festklammern. Hinaus, hinaus! Die Hitze des Brandes schlug ihm entgegen, versuchte nach ihm und seiner wertvollen Fracht zu greifen, streckte ihre gierigen Hände aus, und irgendwo krängte das metallene Grundkonstrukt des Gebäudes, kreischte seinen Verfallensschmerz in die Nacht hinaus wie ein abstürzendes Raumschiff. Blaue Blüten, dachte der Jedi, und dann explodierte etwas hinter ihm, rollte wie Donnergrollen unter seinen Füßen entlang und riss ihn in einer gewaltigen Woge mit nach vorn, und irgendwo in dieser brennenden, eiskalten, weißen Hitze spürte er, dass er flog, und flog ...

      Tief durchatmend blieb der Jedi eine ganze Weile lang auf seinem Schlafplatz aufrecht sitzen und wartete darauf, dass der Schweiß auf seiner Haut zu trocknen begann. Es war nicht der erste Traum dieser Art und er wusste, dass es noch weitere geben würde. Seit ihn die Visionen verlassen hatten, träumte er. Bunt, farbig, auf eine Weise lebensecht, die er nicht so recht greifen konnte. Matt blinzelte er in die Düsternis seiner Umgebung, bei der er nur die Umrisse der Einrichtung in seinem Raum erkennen konnte. Schon meldete sich der Kopfschmerz zurück, den er einfach nicht loswerden konnte. Er war wie ein alter Bekannter, dem man schon lange nichts mehr zu sagen hatte, und der dennoch immer wieder hereinschneite, um sich auf dem eigenen Sofa breitzumachen und dort länger herumzugammeln, als es einem recht war.

      Manchmal bezweifelte Aloncor Torn, dass es in der Galaxis einen hässlicheren Planeten gab als diesen. Einen mit noch weniger Hoffnung. Mehr Kriminalität. Weniger Verzweiflung. Auf seiner inneren Landkarte der Orte, an denen er wahrlich nicht sein wollte, rangierte Orsek-Thau ganz weit vorne, nahezu konkurrenzlos selbst noch vor dem Milliardenplaneten Coruscant und dem Verfall auf Nar Shaddaa. Der allerletzte Ort, an dem ein Empath Zuflucht suchen würde, wenn die Galaxis zu einem unsicheren Ort geworden war. Und doch war er auf diesem Planeten gestrandet, allen Wahrscheinlichkeiten zum Trotz.

      "Baba Alo, Du bist ja wach. Brauchst Du etwas?" Die junge Frau mit den schulterlangen, zu Dreads geformten Haarsträhnen und der wilden Tätowierung auf ihrer linken Gesichtshälfte hatte sich seiner Liegefläche genähert und sich daneben abgekniet. Sie blickte Aloncor mit demselben liebevollen Lächeln entgegen wie an jedem Tag und hielt ihm eine einfache Schale mit Suppe entgegen. In ihren Emotionen zu lesen fiel ihm leicht, und es schmerzte ihn innerlich, dass sie stets gleich blieben, egal wie gleichgültig er sie behandelte. Es war erst vier Jahre her, dass er sie, ihre Schwester und beider besten Freund aus der Flammenhölle gerettet hatte, doch seitdem galt ihm ihre Liebe, ohne dass sich daran etwas geändert hatte.

      "Danke, ich brauche nichts. Ich bin in einer halben Stunde bei euch," sagte er freundlich und nahm die Schale Suppe entgegen, sehr genau darauf achtend, dass sich bei der Übergabe beider Finger nicht berührten. Ari schenkte ihm einen letzten Blick voller stiller Sehnsucht, bevor sie sich in den Vorraum zurückzog und Aloncor seinem frugalen Frühstück überließ. Glücklicherweise waren Jedi an ein entbehrungsreiches, sehr gemäßigtes Leben gewöhnt, sodass er seine Suppe trotz allem an jedem Morgen genießen konnte.
      In der stickigen Luft seiner Unterkunft war deutlich der Geruch nach geschmolzenem Metall wahrzunehmen. An der Luft war in Sektor Lesk immer zu riechen, womit sich die großen Fabrikanlagen am jeweiligen Tag beschäftigten. Wo auf dem Huttenmond die Vergnügungs- und Produktionssektoren strikt getrennt lagen, gab es hier nur Produktion. Die elenden Slums der in ärmlichsten Verhältnissen lebenden Arbeiter aller Art hatte man irgendwo zwischen die großen Fabrikgebäude gequetscht, so tief im Inneren des Konglomerats der Produktion eingearbeitet. Ein Leben unter grausamen, harten Bedingungen, dem man nur mit Alkohol oder anderen Drogen entkommen konnte. Ein Leben unter der schwachen Sonne des Ors-Systems, welche so trübe schien, dass die meisten Bewohner von Orsek-Thau sie in ihrem Leben nur wenige Male überhaupt erblickten.

      Künstliches Licht kostete Ressourcen, welche die Arbeiter selten hatten, also wurden billigere Möglichkeiten genutzt. Das Industriekonsortium, welchem die Fabrikanlagen gehörten, kannte die Verhältnisse, welche unter ihren Arbeitern herrschten, doch zog es vor, nur für die Sicherung der Anlagen und der wenigen öffentlichen Einrichtungen zu sorgen, sodass sich in den Slums eine eigene Form der Ordnung etabliert hatte. Bandenkriege waren an der Tagesordnung, zumindest waren sie das in Sektor Lesk gewesen, bevor ein Industriekomplex in Flammen aufgegangen war. Bevor ein Jedi-Diplomat die zwei Töchter eines Bandenführers und den Sohn eines anderen Bandenführers gerettet und dafür sein Leben eingesetzt hatte. Als er seine Suppenschale geleert hatte, tastete Aloncor über seine vernarbte Wange, dann den Hals, schließlich seine nackte Schulter, die deutliche Spuren der Ereignisse zurückbehalten hatte.

      Diese sichtbaren Zeichen seines Mutes hatten ihm einen überraschend guten Ruf eingetragen und er war respektiert worden. Aus Respekt war Aufmerksamkeit geworden, und aus Aufmerksamkeit schließlich ein vorsichtiger, brüchiger Frieden zwischen zwei Gruppierungen, die sich zuvor bis aufs Blut bekämpft hatten. Mit dem Frieden hatten sich einige Dinge in Sektor Lesk verändert, zum Besseren gewandelt, denn anstelle sich dauerhaft gegeneinander zu wenden, konnte man nun Vorhaben miteinander angehen. Langsam stemmte er sich von seinem Lager empor und griff nach dem Stock, den er als Gehhilfe verwendete, um sich zur Waschschüssel zu begeben. Es war gar nicht so leicht, einbeinig genug Balance zu behalten, um sich grundlegend mit einem Waschlappen zu reinigen, aber inzwischen hatte er genug Übung darin. Unter der bodenlangen, einfachen Robe als Überwurf und der weit fallenden Hose fiel das Fehlen des Beines nicht groß auf.

      So gesehen hatte er ein Bein und sein einstmals relativ symmetrisch attraktives Gesicht gegen eine Art Frieden eingetauscht. Gar kein so schlechter Handel, murmelte Aloncor zu sich und ging auf die Tür zu. Auch heute würde es wieder Ganger geben, die gegen die Männer und Frauen der anderen Gruppierung vorzugehen versuchten, und auch heute würde es seiner Worte bedürfen, um diese wieder zusammenzuführen. Aber das war es doch, wofür Jedi schließlich existierten: um dort zu helfen, wo Hilfe gebraucht wurde, um dort etwas zu verändern, wo sich etwas verändern ließ. Selbst wenn sie nicht als das auftraten, was sie waren. Das einzige, das ihm an diesem kopfschmerzbehafteten Ort wirklich fehlte, war unerreichbar.
      Blaue Blüten, dachte er und seufzte. Wenigstens lebte sie noch, irgendwo da draußen.
      Vielleicht würde er sie eines Tages wiedersehen.